Engagement für den Regenwald Christian Ziegler und Daisy Dent im Regenwald

Engagement für den Regenwald

 „Wir möchten die Menschen mit der Schönheit der Tropenwälder fesseln und ihnen zu verstehen geben, dass diese Ökosysteme wirklich gefährdet sind."

Christian Ziegler ist Fotojournalist und Tropenökologe, er arbeitet unter anderen für das Max-Planck-Institut und hat bis heute viermal den World Press Award gewonnen. Daisy Dent ist Botanikerin und Tropenwaldökologin. Ihr gemeinsames Ziel ist es, die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten in Tropenwaldökosystemen besser zu verstehen.

horizonte zingst: Christian Zigler, Ihr beruflicher Werdegang begann als Tropenökologe – warum ist die Fotografie zum Medium Ihrer Wahl geworden?

Christian Ziegler: Mir war es immer wichtig, die Themen Wissenschaft und Naturschutz einem breiteren Publikum vermitteln. Als Biologe hatte ich aber immer das Gefühl, das ich das nicht ausreichend würde tun können und so wurde die Kamera zu meinem Werkzeug und ich wurde zum Übersetzer – indem ich Naturschutzfragen und Naturkunde als visuelle Geschichten erzähle. Geschichten sind es, von denen die Menschen lernen und so versuche ich etwa, das Leben eines Tieres so darzustellen, dass die Menschen es persönlich verstehen, sich darum kümmern und hoffentlich erhalten wollen.

Wie erarbeiten Sie sich Ihre Themen?

Jeder Tropenwald ist anders, mit unterschiedlichen Gemeinschaften von Pflanzen und Tieren. Um eine gute Geschichte zu erzählen, muss ich das Ökosystem verstehen. Ein biologischer Hintergrund ist sehr nützlich; er gibt meinen Bildern mehr Tiefe. Ich recherchiere rund um das Thema und lese viel, so dass ich die Schwerpunktarten, ihr Verhalten und ihren Lebensraum sowie die Wechselwirkungen mit anderen Arten kenne. Ich neige dazu, monatelang über einen Auftrag nachzudenken, bevor ich tatsächlich ins Feld gehe. Ich versuche, einen originellen Standpunkt zu planen und eine Wunschliste mit Bildern zu erstellen, die die Geschichte erzählen. Mein Ziel ist es, etwas Neues zu schaffen und die Phantasie der Menschen einzufangen, denn die Leser sind oft mit Bildern gesättigt. Die Natur ist faszinierend, ich möchte die Menschen mit der Schönheit der Tropenwälder fesseln und ihnen zu verstehen geben, dass diese Ökosysteme wirklich gefährdet sind.

Geben Sie uns einen Einblick in die technische Seite Ihrer Fotografie?

Fast allen meiner Bilder gehen viele Überlegungen und eine sorgfältige Planung voraus – einzelne Bilder sind das Ergebnis von drei oder vier Wochen beharrlichen Herumprobierens. Für das Bild von einem Kolibri, der eine Orchidee besucht, brauchte ich drei Wochen. Ich wollte gleichzeitig die Details vom Auge des Vogels, die leuchtenden Farben seines Gefieders und die Orchidee festhalten, deshalb konstruierte ich einen recht komplizierten Aufbau, zu dem sechs Blitze und ein maßgescheindertes Makro-Objektiv gehörten, das ich ganz dicht bei der Orchidee positionierte – mit vielleicht drei Zentimetern Abstand. Der Kolibri war zunächst misstrauisch, aber schließlich besuchte er die Blüte direkt vor meiner Linse. Es war perfekt! Kamerafallen sind oft die einzige Möglichkeit, scheue und nachtaktive Waldtiere zu fotografieren. Für so eine Falle braucht man eine Kamera – in einem wasserdichten Gehäuse – mit drei ferngesteuerten Blitzen und einem Bewegungsmelder (TrailMaster), der das Bild auslöst wenn ein Tier vorbeikommt. Um einen guten Platz für die Kamerafalle zu finden muss ich wie ein Ozelot oder eine Fledermaus denken. Je besser ich das Verhalten des Tieres vorhersehe, desto besser werden die Bilder. Die Kamera kann wochen- und manchmal auch monatelang am selben Ort bleiben. Es ist immer ein aufregender Augenblick, wenn ich zu ihr zurückkehre – oft bekomme ich keine Bilder, aber manchmal passt alles und das Ergebnis ist bezaubernd: Ein Blick in das Leben eines sehr scheuen Waldtieres.

Was sind Sie bereit zu riskieren für die Bilder, die Ihnen vorschweben?

Als ich im Kongo Bonobos fotografierte, benutzte ich die folgende Strategie: Ich folgte den Tieren Tag für Tag, bis sie sich in meiner Gegenwart sicher fühlten. Ich nahm nur das Nötigste an Ausrüstung mit, weil ich oft den ganzen Tag durch den Wald lief. Bonobos zu fotografieren war extrem anstrengend, an manchen Tagen bewegten sich die Affen mehr als 15 Kilometer durch den Wald – da ich keinem Pfad folgen konnte, war es unglaublich schwierig, mit ihnen Schritt zu halten. Nach diesem Abentuer war ich wirklich fit... Oder als ich mir in den Kopf gesetzt hatte, schlafende Fledermäuse in einem von innen verrottteten Baum zu fotografieren: Ich zwängte mich mit meiner Kamera durch ein Loch unten im Baumstamm – und fand mich auf einem weichen Hügel aus Fledermausexkrementen wieder, in dem es vor Kakerlaken wimmelte… Nicht weit über meinem Kopf aber erblickte ich über 500 Fransenlippenfledermäuse, die diesen Baum schon seit Generationen als Schlafplatz nutzen müssen. Ein trotz aller Widrigkeiten toller Anblick.

Was ist großartig und was ist schwierig an Ihrer Arbeit?

Wenn ich in den Wald laufe, genieße ich es, ganz allein zu sein, doch eigentlich bin ich gar nicht allein, denn überall herrscht Leben, ein überwältigendes Zusammenspiel aus Farben, Formen, Gerüchen und Feuchtigkeit. Doch genau die Dinge, die ich an Tropenwäldern liebe, können sie für Fotografen zu einer echten Herausforderung machen. Erstens bekommt das warme und nasse Klima der Fotoausrüstung schlecht: Regen und Pilzbefall haben mich schon etliche Objektive gekostet. Zweitens verschwört sich die gesamte Biologie von Tropenwäldern gegen Fotografen. Die dichte Vegetation lässt nur wenig Sonnenlicht zum Waldboden durchdringen, so dass nie genug Licht vorhanden ist. Und wegen der großen Artenvielfalt sind die meisten Tiere selten und sehr vorsichtig, so dass man sie selten zu Gesicht bekommt All das macht Tropenwälder für Fotografen zu schwierigen Orten. Erst mit der Zeit entdeckt man Anzeichen ihrer gut versteckten Bewohner. Tropenwälder lehrten mich etwas sehr Wichtiges: Hab‘ Geduld – nur mit viel Zeit und Mühe wirst Du Erfolg haben.

Was ist Ihr fotografisches Ziel?

Die meisten der Arten, die ich fotografiere, sind vom Aussterben bedroht. Wir befinden uns an einem Wendepunkt in der Geschichte der Menschheit, an dem wir unsere natürliche Umwelt überfordern und unsere Artgenossen zum Aussterben bringen. Ich hoffe, dass meine Fotografie mehr Menschen darauf aufmerksam machen kann.

Und Daisy Dent, warum sind Sie Tropenökologin?

Daisy Dent: Ich wollte schon in sehr jungen Jahren – als ich etwa 8 Jahre alt war - im tropischen Regenwald arbeiten. Ich habe immer noch ein T-Shirt, das ich etwa zu dieser Zeit nach dem Besuch eines botanischen Gartens gekauft habe und auf dem „El bosque es vida“ steht: “Der Regenwald ist Leben!” Ich schätze, ich wurde durch Fernsehdokumentationen und Bücher inspiriert - ich wollte diese vielfältigen, grünen tropischen Dschungel selbst sehen. Ich habe also Botanik studiert und kehrte dann zurück, um auf der Insel Borneo in tropischer Ökologie von Tieflandwäldern zu promovieren. Ich liebte es, auf Borneo zu arbeiten, und ich arbeite auch heute noch dort, aber Borneo hat in den letzten 20 Jahren so viel Wald verloren – es ist tragisch. Ich studiere die Tropenwälder, um diese vielfältigen Ökosysteme zu verstehen, aber auch, um zu versuchen, sie zu erhalten und zu bewirtschaften.

An welchen Themen arbeiten Sie aktuell? Und wie ist Ihre Herangehensweise?

Ich interessiere mich vor allem für die Auswirkungen der sich ändernden Landnutzungsmuster auf die Vielfalt der Tropenwälder und die Funktion der Ökosysteme. Insbesondere untersucht meine Forschungsgruppe, wie Entwaldung und Waldfragmentierung die Zusammensetzung der tropischen Baum- und Vogelgesellschaften verändern. Ich interessiere mich besonders für Sekundärwälder – wie Wälder auf aufgegebenem Ackerland oder nach dem Einschlag wieder nachwachsen und ob diese sich regenerierenden Wälder geeigneten Lebensraum für Waldarten bieten können. Sekundärwälder machen heute mehr als 50% unserer verbleibenden Wälder aus, daher ist es wichtig, ihren Wert zu verstehen. Ich habe Feldforschungsprojekte in Brasilien, Malaysia und Panama. Der Großteil meiner Arbeit ist feldorientiert – wir haben Waldparzellen in unterschiedlich alten Sekundärwäldern, in Waldfragmenten und auch in ungestörtem Primärwald. Wir markieren, identifizieren und messen alle Bäume auf unseren Parzellen (das ist eine Menge Arbeit!), um das Wachstum und die Sterblichkeit der Bäume zu verfolgen und besser zu verstehen, wie sich der Wald im Laufe der Zeit verändert. Wir beobachten auch Vögel mit Punktzählungen und Nebennetzen, um zu sehen, wie sich Frugivorengemeinschaften zu Baumgemeinschaften verhalten und wie sich diese Beziehungen bei Störungen verändern. In einem neuen Projekt fangen wir tatsächlich einige Früchte fressende Vögel und Fledermäuse mit Funkortungsgeräten ein, um besser zu verstehen, wohin sich diese Tiere bewegen und wo sie Samen in der Landschaft verteilen.

Und Ihre Ziele?

Mein Ziel ist es, die Tropenwälder besser zu verstehen, damit wir sie besser erhalten, bewirtschaften und sogar wiederherstellen können. Ich hoffe, dass die Arbeit, die ich mit Christian mache, das Bewusstsein für die Schönheit und Zerbrechlichkeit der Tropenwälder schärft.

Daisy Dent und Christian Ziegler, wie lange arbeiten Sie schon zusammen? Und: Arbeiten Sie an allen Themen gemeinsam?

Wir arbeiten seit etwa acht zusammen und haben beide Projekte, an denen wir ohne den anderen arbeiten. Aber wir arbeiten auch viel gemeinsam an Geschichten über die biologische Vielfalt und den Verlust der Tropenwälder – das sind die Themen, die uns beiden wirklich am Herzen liegen.

Verändern Fotos den Blick auf wissenschaftliche Fragestellungen?

Daisy Dent: Für mich hat die Arbeit mit Christian mir geholfen, den Wald als ein komplettes Ökosystem zu sehen. Er konzentriert sich so sehr auf die Wechselwirkungen zwischen den Arten: Bestäubung, Samenausbreitung, Pflanzenfresserei und vieles mehr. Und das hat meinen Fokus verändert. Ich bin im Herzen eine Botanikerin, aber jetzt arbeite ich viel mehr mit Vögeln und Fledermäusen, da dies mir hilft, das gesamte Ökosystem zu verstehen.

Und last but not least: Was verbinden Sie mit dem Umweltfotofestival „horizonte zingst“?

Wir lieben es, weil wir die Gelegenheit haben werden, „unsere Sichtweise“ auf die Regenwälder der Welt zu teilen. Sie sind schön, vielfältig und zerbrechlich und bedroht. Wir wollen, dass die Menschen sich für sie begeistern und sich in den Regenwald verlieben – um ihn letztlich zu beschützen.

Fotos © Christian Ziegler
Webseite des Fotografen: https://christianziegler.photography/
Das Interview führte Edda Fahrenhorst per E-Mail.

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