"Meine Protagonist:innen sind alle echt." Dominik Asbach – "Glanz, Gesocks & Gloria" 4

"Meine Protagonist:innen sind alle echt."

Dominik Asbach schafft es, seine Protagonist:innen zu Hauptdarsteller:innen zu machen und sie so detailgetreu wie möglich zu porträtieren. "In ihrer ganzen Konsequenz und Authentizität – das ist mir sehr wichtig. Sie sollen sich auch auf meinen Fotos wiedererkennen," so der Fotograf Dominik Asbach.

Die Ausstellung "Glanz, Gesocks & Gloria" ist vom 21.12.2021 – 23.04.2022 in der Leica Galerie Zingst zu sehen. Was es mit dem Titel der Ausstellung auf sich hat und wie Dominik Asbach fotografisch vorgegangen ist, erzählt er in im Interview.

Fotografie Zingst: Glanz, Gesocks & Gloria - inszeniert?

Dominik Asbach: Für mich ist es einfach eine große Freude zu beobachten, wenn ein sogenannter Underdog, dem das Leben nicht nur Glück und Applaus geschenkt hat, ein Auftreten hat als sei er eine Persönlichkeit, die es gewohnt ist im Blitzlichtgewitter zu stehen. Nur ist sein Laufsteg der raue Asphalt von Bottrop, Bochum oder Castrop-Rauxel – und keine Prêt-à-porter Modenschau in einer Glitzer-Metropole, wie Paris, Rom oder Tokio. Meine Figuren tragen keine exponierten Tüllkleider und sind nicht aufwendig geschminkt. Nein, sie tragen ausgebeulte Ballonseide und ein krauses Stirnrunzeln, das ihnen vom Leben beigebracht wurde. Manchmal ist der Lippenstift zu grell, die Wimpern zu aufgeklebt und der Minirock zu kurz – auch das ist ein Ausdruck ihrer Persönlichkeiten. Meine Protagonist:innen sind alle echt – sie sind alle authentisch. Inszeniert werden Sie durch mein Licht, meinen Ausschnitt.

Wer sind Deine Protagonist:innen?

Sie heißen Mauzi, Celine, Fiona, Dean, B.A. oder VfL-Jesus. Ihr reguläres Leben ist manchmal trist bis grau: Sie sind Essensausfahrer, Fensterputzer, Pornodarstellerin, Kindergärtnerin oder Callcenter-Mitarbeiter in teilweise wirklich schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen. Doch nach Feierabend gehen sie in die berühmte (aber unsichtbare) Telefonzelle. Dann ziehen sie sich um, um den Alltag hinter sich zu lassen. Sie werfen das Arbeitnehmer-Verhältnis in die Ecke und werden zum Superman. Ihre Spielwiese ist dann die Fankurve im Fußballstadion, der Heavy-Metal-Proberaum oder ein Instagram-Profil, wo sie sich als attraktives Starlett inszenieren. Sie suchen nach den berühmten fünf Minuten Andy Warhol-Ruhm, den sie als Ego-Politur natürlich auch verdient haben.

Wie nahm das Projekt seinen Anfang und warum?

Ursprünglich war ich als Fotograf am Set von „Glanz, Gesocks und Gloria“ – das ist der zweite Spielfilm von meinem Freund, dem Independent Filmer Gerrit Starczewski aus Voerde. Zwischen Retro-Ästhetik mit Fliesentisch und Opel Manta, Vokuhila-Frisuren, Lottospieler-Träumereien von einem besseren Leben – alles eingerahmt in laute Musik und lauwarmes Dosenbier. So agiert hier eine grellbunte Schar an individuellen Ruhrgebietsfiguren – den sogenannten Pottoriginalen. Die Akteure treten ohne maßgeschneidertes Drehbuch an den Film-Set, aber mit jeder Menge Herzblut. Diese Figuren habe ich dann immer weiter begleitet und sie in den unterschiedlichsten Situationen abgelichtet. Mal an der Trinkhalle und mal am einsamen Feldweg, mal in der Spieler-Umkleide beim Amateurfußball und mal direkt am Rhein-Herne-Kanal.

Wie gehst Du fotografisch vor?

Ich probiere meine Protagonist:innen zu Hauptdarsteller:innen zu machen – und möchte sie so detailgetreu wie möglich porträtieren: In ihrer ganzen Konsequenz und Authentizität – das ist mir sehr wichtig. Meine Protagonist:innen sollen sich auch auf meinen Fotos wiedererkennen. Eine Hair-Metal-Braut soll so rüberkommen, wie sie tatsächlich ist – mit hochtoupierten Haaren, Flieger-Sonnenbrille und Tiger-Top unter der Joggingjacke. Und der Zuschauer soll intuitiv wissen, dass die in ihrer Wohnung genauso rumläuft und gleich in den Keller geht, um dort die Wäsche aufzuhängen. Es gibt keinen Unterschied zwischen Inszenierung und echtem Leben – und ich denke, dass ist einfach das Tolle und Echte an diesen Figuren. Ganz wichtig für meine Arbeit ist Blitzlicht, fast alle Bilder sind geblitzt. Egal ob drinnen oder draussen. An meiner Leica MP benutze ich fast immer das klassische 35mm Summicron.

Geht das Projekt weiter?

Ich selber bin Kleingärtner – und daher weiß ich: man ist nie mit der Arbeit fertig. Denn egal ob Winter, Frühling, Sommer oder Herbst. Es gibt immer was zu tun! Als Fotograf durchstreife ich meine Umgebung, das ist so ähnlich wie mein Schrebergarten, nur viel, viel größer. Manchmal wirkt diese Umgebung auf mich, wie eine Art Endzeit-Niemandsland. Ich habe aber immer den Blick darauf, den einen ganz bestimmten Moment einzufangen. Zwischen Duisburg und Unna leben insgesamt über fünf Millionen Menschen – das ist in erster Linie meine Spielwiese. Ich hoffe das Glück schenkt mir noch viele Momente, damit ich weitere Menschen und Archetypen porträtieren kann, die plötzlich aus der Anonymität auftauchen und mir den einen (und ganz besonders berühmten) Augenblick schenken.

Das Interview führte Peter Hesse.

Unter Einhaltung der aktuell gültigen Abstands- und Hygieneregeln ist eine Vernissage der Ausstellung "Glanz, Gesocks & Gloria" in der Leica Galerie Zingst geplant.

Alle Bilder: Dominik Asbach

Website des Fotografen: www.asbach-foto.de

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