„Es gibt viel zu sehen, zu sagen und zu diskutieren.“ Porträt Kuratorin Edda Fahrenhorst

„Es gibt viel zu sehen, zu sagen und zu diskutieren.“

„Das ist“, so betont Edda Fahrenhorst, „mit dem Thema Ernährung hervorragend möglich, da jede und jeder von uns tagtäglich damit zu tun hat – wir können alle mitreden.“ Die Aussage der Kuratorin haben wir zum Anlass genommen, um mit ihr über das 15. Umweltfotofestival »horizonte zingst« zu sprechen.

horizonte zingst: EAT IT – About Food. So lautet der Titel von »horizonte zingst« in diesem Jahr. Was hat es damit auf sich?

Edda Fahrenhorst: 2022 dreht sich in den Festivalausstellungen (fast) alles um das Thema Ernährung.

Wir alle essen jeden Tag und das hoffentlich gut und gerne. Dabei hat das, was wir essen und wie wir essen, einen großen Einfluss auf unseren Alltag oder auch darauf, ob wir langfristig gesund sind und bleiben.

Eine gute Ernährung ist dabei für uns – dankenswerterweise – eine Selbstverständlichkeit, aber in der globalen Verteilung leider nicht. Auch ist die Ernährung ein wirtschaftlicher Faktor zuhause und im großen Zusammenhang.

Und nicht zuletzt hat unser aller Essgewohnheiten Auswirkungen auf die Umwelt und letztlich damit natürlich auch auf das Klima.

Wir begeben uns also in diesem Festival-Jahr auf eine Reise von unserem individuellen Kühlschrankinhalt zu den großen übergeordneten Themen.

Warum?

Die Antwort auf die Frage steckt in unserem Titel: Wir sind ein Umweltfotofestival. Für uns heißt das, dass wir Umwelt-, Gesellschafts- und Klimarelevante Themen für unser Publikum so aufbereiten, dass dadurch eine Gedanken- Gesprächs- und gerne auch Diskussionsgrundlage entsteht.

Das ist mit dem Thema Ernährung hervorragend möglich, da jede und jeder von uns tagtäglich damit zu tun hat – wir können alle mitreden.

Und die Fotografie?

Die Fotografie ist großartig, denn kaum ein anderes Medium löst so direkt und unmittelbar Reaktionen aus. Fotografie – oder besser noch die Fotografinnen und Fotografen – kann werten, sie kann politisch sein, meinungsstark, sie kann Haltung zeigen, Zusammenhänge offenbaren oder Geschichten erzählen.

Und sie lädt dazu ein, das Gesehene mit den eigenen Erfahrungen abzugleichen – das ist gerade beim Thema Ernährung ein ziemlich spannender und wirkungsvoller Denkanstoß!

Hast Du konkrete Beispiele aus dem Ausstellungsspektrum?

Klar.

Wer zum Beispiel hat noch nie verschimmeltes Gemüse aus der untersten Kühlschrankschublade gezogen und weggeworfen? Im Zusammenhang mit der Ausstellung „One Third“ von Klaus Pichler wird genau das Thema aufgegriffen und im Zusammenhang der weltweiten Lebensmittel- und Ressourcenverschwendung gebracht. Bei mir haben die Bilder schon unmittelbar Wirkung gezeigt – ich achte seither noch sehr viel sorgfältiger darauf, alle Lebensmittel zu verbrauchen. Das führt manchmal zu absurden Kombinationen, aber das sorgt auch für Erheiterung.

Natürlich soll es aber auch um Genuss gehen, essen macht Spaß, ist emotional und gesellig – das zeigt etwa die Strecke von Gabriele Galimberti, der Großmütter auf der ganzen Welt besucht und sie mit dem „Familienessen“ fotografiert hat. Fazit: Bei Oma schmeckt es einzigartig, man kann dieses spezielle Gericht aber einfach nicht nach kochen – es gelingt immer anders. Gabrieles Fotos laden dazu ein, in die eigenen Erinnerungen einzutauchen, aber auch an verschiedenen Familientischen der Welt Platz zu nehmen. Aber eben auch dazu, Lebensmittel und ihre Verwendung zu vergleichen – wo wird viel aus frischen Zutaten gekocht und wo hauptsächlich aus verarbeiteten…

Man wird auch einiges zu lachen und zu staunen haben, Jan von Holleben etwa setzt sich mit dem Zaubermittel Zucker auseinander, das natürlich herrlich und lecker ist, aber doch einzwei Eigenschaften mitbringt, die es in sich haben...

Einen ganz besonderen Platz unter den Ausstellungen nimmt auch das gigantische Projekt „Feed The Planet“ von George Steinmetz ein. Der US-Amerikaner zeigt, wie und wo Lebensmittel für mittlerweile knapp 8 Milliarden Menschen auf der Welt produziert werden und sagt dazu: „Wenn wir alle mehr darüber wissen, wie unsere Lebensmittel produziert werden, können wir bessere Entscheidungen treffen. Denn: Die Lebensmittelindustrie produziert nur das, was wir konsumieren. Und die kumulative Wirkung unserer individuellen Entscheidungen ist enorm.“

Das fasst gut zusammen, was wir mit unserem Thema beabsichtigen: Denkanstöße zu der Ernährung ganz allgemein, das aber immer natürlich im Abgleich mit unseren eigenen Gewohnheiten und ob sich an den Gewohnheiten nicht etwas ändern lässt – zum Vorteil für jeden individuell, aber auch im großen Umwelt- und Klimazusammenhang.

Wo hängt denn Deine ganz persönliche Messlatte zu dem Thema – wie sieht es in Deiner Speisekammer aus?

Das Thema begleitet mich – gemeinsam mit meiner Familie – schon eine lange Zeit. So lesen meine Kinder und ich seit einem Schulprojekt etwa gemeinsam immer wieder Zutatenlisten und haben Palmöl konsequent gestrichen (was leider viele köstliche Süßigkeiten einschließt – das fällt vor allem mir sehr schwer), da Palmöl im unmittelbaren Zusammenhang mit der Rodung von Urwäldern steht. Gleiches gilt etwa für Überraschungseier, die neben Palmöl vor allem sehr viel Plastik und Alu-Verpackung mitbringen.

Gemeinsam haben wir uns schon durch sehr viele vegetarische und vegane Produkte probiert (veganer Burger ist mittlerweile ziemlich gut) und kochen viel mit frischem Gemüse, oder sehen zu, dass es im Winter Obst nur aus Europa und nicht aus Übersee gibt (es sei denn, die Ananas…).

Als Zwischenfazit unserer Reise kann ich also sagen: Wir bemühen uns nach Kräften um einen guten Weg, Verzicht ist machbar, trotzdem genießen wir, was das Zeug hält und sind uns auch nicht gram, wenn wir Versuchungen erliegen und auch mal nicht ganz einwandfrei essen. Denn: Vor allem ist die gemeinsame Mahlzeit eine Zeit, in der man zusammen am Tisch sitzt, sich unterhält und es möglichst gut haben soll.

»horizonte zingst« ist aber nicht nur Thema und Ausstellungen: Was erwartet die Menschen außerdem, die sich auf den Weg nach Zingst machen?

Ganz schlicht und immer wieder: Fotografie!

Und zwar aus sehr verschiedenen Blickrichtungen. Unsere Besucherinnen und Besucher können wählen, welche Aspekte der Fotografie sie besonders interessieren:

Geht es um fotografischen Austausch? Dafür sind im Laufe der zehn Festival-Tage viele spannende Gäste aus allen Bereichen der Fotografie in Zingst, einige von Ihnen auch auf den Bühnen des Festivals und ansonsten spätestens abends am Strand zur Bilderflut immer ansprechbar.

Geht es darum, sich selber fotografisch zu fordern, dazu zu lernen, sich in der eigenen Fotografie weiterzuentwickeln? Dann bieten sich die Programme der Fotoschule und der BFF Akademie an – hier kann man in jeder Stufe des Könnens ...

Ist es Technik, die interessiert? Dann kann vor allem auf dem Fotomarkt in der zweiten Hälfte des Festivals – aber auch sonst an verschiedenen Stellen – getestet, gefachsimpelt und ja, auch eingekauft werden.

Vor allem aber – wir sprachen eben darüber – erwarten die Besucherinnen und Besucher des Festivals, die sich für Inspiration, für Inhalte, für den fotografischen Diskurs interessieren,16 Ausstellungen mit mehr als 60 Fotografinnen und Fotografen in ganz Zingst.

Das wirklich Tolle an Horizonte ist – so empfinde ich es zumindest – dass jede*r genau das wählen kann, was ihn oder sie in der Fotografie interessiert. Und wenn Augen und Hirn eine Pause brauchen, dann kann man eine Runde am Strand drehen, um sich dann mit Elan, Spaß oder auch dem Themen in noch so unterschiedlichen Ausprägungen noch im verborgensten Winkel der Erde bewegen und sie ein bisschen besser verstehen können.

Wir sind freuen uns entsprechend enorm, dass wir unser Publikum zum kommenden Festival dazu einladen können auf die Reise zu einem Thema zu gehen, zu dem es viel zu sehen, zu sagen und zu diskutieren gibt.

Das Interview führte Nina Hesse per E-Mail.

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