"Im Universum ist Wasser seltener als Gold" Franck Vogel - Transboundary Rivers

"Im Universum ist Wasser seltener als Gold"

"Denn die globale Süßwassersituation hat einen kritischen Punkt erreicht, sodass sie sofortige Aufmerksamkeit und Maßnahmen erfordert”, erklärt Franck Vogel.

In acht Jahren hat der französische Fotograf Franck Vogel Geschichten von acht Flüssen erzählt. Sein Projekt “Transboundary Rivers” hat ihn ins Mekong-Delta geführt und an die Quelle des Ganges. Er war auf dem Sambesi mit dem Boot unterwegs und stand an den Ufern des Jordan, er schaute auf den Hoover Dam des Colorado und beobachtete die Wildpferde auf den Donauwiesen – was ihn zu dem Mammutprojekt inspiriert hat, beschreibt er so: “Durch meine Nachforschungen wurde mir klar, dass die globale Süßwassersituation einen kritischen Punkt erreicht hat und dass sie sofortige Aufmerksamkeit und Maßnahmen erfordert.”

Warum die Wüste Thar eine Rolle für den Startpunkt seiner Nachforschungen entscheidend war, wie er Zugung zu der Königlischen Wanderung der Lozi bekommen hat und was seine Erkenntnis aus den fotografischen Jahren des Projektes ist, darüber haben wir mit ihm gesprochen:

horizonte zingst: Wasser ist Ihr zentrales Thema – warum?

Franck Vogel: Ich bin auf einem Bauernhof in der Nähe von Straßburg im Elsass aufgewachsen und weiß seit meiner Kindheit, wie wichtig Wasser ist.

Nach einem Masterstudium der Agrarwissenschaften und des Ingenieurwesens ging ich 2002 auf eine einjährige Weltreise – per Anhalter und mit einem Budget von zwei bis drei Euro pro Tag. Ich reiste ein Jahr durch Afrika und Asien und während ich in Burma meditierte, wurde mir klar, was ich in meinem Leben wirklich machen wollte: Reisen, Menschen treffen, fotografieren und vor allem Menschen inspirieren.

Nachdem ich viele Monate lang die Bishnois, Ökologen seit dem 15. Jahrhundert in der Wüste Thar im indischen Rajasthan dokumentiert hatte, wurde mir die Bedeutung von Wasser noch bewusster und ich wollte mehr wissen.

Wann und in welchem Zusammenhang haben Sie die ersten Bilder für Ihr Projekt "Transboundary Rivers" gemacht?

2012 habe ich nach einem Treffen mit einer NGO mit dem Nil begonnen. Der Leiter des Wasserprogramms erzählte mir von dem äthiopischen Projekt zum Bau des Millenium-Staudamms, dem größten in Afrika, und den Auswirkungen, die dies auf das Wasser des Nils und die möglichen Spannungen mit dem Sudan und Ägypten haben könnte. Ich wollte auch wissen, wie die Menschen vor Ort betroffen sein würden. Mein erster Halt war daher in Äthiopien und ich fuhr zur Quelle des Blauen Nils: Dem Tana-See. Das war der Beginn meines achtjährigen Projekts.

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Wann wurde Ihnen klar, dass Sie für Ihr Projekt mehr als einen Fluss fotografieren würden?

Während meiner dreimonatigen Arbeit am Nil in Äthiopien, Südsudan und Ägypten hatte ich das Gefühl, dass der Nil nicht der einzige Fluss mit Wasserproblemen auf der Welt ist. Durch meine Nachforschungen wurde mir klar, dass die globale Süßwassersituation einen kritischen Punkt erreicht hat und dass sie sofortige Aufmerksamkeit und Maßnahmen erfordert. Ich erstellte eine Liste mit acht Flüssen, und meine Idee war es, zu zeigen, dass die Probleme weltweit bestehen und nicht nur in armen Ländern.

Wie beginnen Sie die Aufgabe, einen "neuen" Fluss zu fotografieren?

Jedes Mal, wenn ich mit einem neuen Fluss beginne, recherchiere ich viel und kontaktiere Experten, Aktivisten, Wissenschaftler, Firmen, Staudammbauer, Politiker und versuche, mir ein Bild von den Problemen zu machen. Ich stelle mir auch vor, welche Art von Fotos ich für das Projekt brauche. Ich habe nicht die Zeit, den ganzen Fluss abzudecken, also muss ich die wichtigsten Bereiche ausfindig machen, die ich aufsuchen muss, um die Geschichte zu zeigen.

Sobald Sie vor Ort sind – wie und wie lange arbeiten Sie an einer Flussgeschichte?

Jeder Fluss ist anders in seiner Komplexität und Größe. Am Nil habe ich zum Beispiel drei Monate verbracht und für den Jordan habe ich nur drei Wochen gebraucht, aber normalerweise dauert es etwa fünf Wochen.

Wenn ich vor Ort bin, sind die Dinge manchmal ganz anders, als ich sie recherchiert habe und die Geschichte ist vielleicht ganz woanders. Das ist der lustige Teil. Ich liebe es, beim Diskutieren mit Einheimischen neue Dinge zu entdecken, die man unmöglich im Internet finden kann. Als ich zum Beispiel über den Brahmaputra-Fluss arbeitete, änderte sich die Geschichte komplett, als ich anfing, mit einigen Aktivisten zu sprechen.

Eigentlich muss man, wenn man unterwegs ist, für jeden und alles offen sein, auch für das Unerwartete.

Gibt es einen Fluss, ein Erlebnis, das Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Während meiner Arbeit am Sambesi wollte ich die königliche Wanderung, die Kuomboka, am Sambesi im Barotseland (Sambia) fotografieren. Jedes Jahr führt der Fluss Hochwasser und bedeckt das ganze Land. Seit Jahrhunderten müssen sich die Lozi anpassen und mit ihren Lastkähnen auf höheres Land wandern und der König gibt mit seinem Elefantenkahn den Startschuss.

Als ich mit meinem GEO-Kollegen Michael Stuhrenberg ankam, verschob der König die Zeremonie um eine Woche, so dass wir den Chefredakteur in Hamburg bitten mussten, meinen Aufenthalt zu verlängern – Michael musste unverichteterdinge zurück nach Frankreich .Das Schlimmste aber war, dass der Medienminister des Königs Geld wollte, um mir den Zugang zu der Zeremonie zu gewähren. Ich lehnte ab, woraufhin er wütend wurde und mich bedrohte.

Ich musste mich eine Woche lang in Mongu verstecken und hoffte, mit einem anderen Look bekleidet, dass ich die Aufnahmen zum neuen Termin würde machen können. Denn: Eine irische Schwester, die seit über 30 Jahren hier arbeitet, sagte mir, dass die Einheimischen fremde Gesichter nicht gut unterscheiden können und ich hatte bislang nur besagten Minister persönlich getroffen.

Also habe ich mein Glück herausgefordert und Joanne, einer Amerikanerin, die für eine NGO arbeitet, gab sich meine Mutter aus und wir mieteten ein kleines Boot. Schließlich gelang es mir, dem Kahn des Königs während der Veranstaltung zu folgen, und zum Glück traf ich den Minister an diesem Tag nicht. Es war das erste Mal, dass ich bei einem Auftrag mit dieser Art von Korruption konfrontiert wurde.

Die Kuomboka-Zeremonie war seltsamerweise sowohl der Höhepunkt als auch der Tiefpunkt. Sie war fotografisch jenseits meiner Erwartungen und einfach außergewöhnlich. Während der 7-stündigen Verfolgung der königlichen Barke auf den überfluteten Ebenen mit vielen anderen Booten fühlte ich mich privilegiert, das zu erleben. Es war, als würde man Hunderte von Jahren zurückgehen.

Während der Fahrt auf unserem Einbaum auf den überschwemmten Ebenen allerdings habe ich so viele Insekten verschluckt, wie nie zuvor in meinem Leben.

Werden Sie weitere Flussgeschichten fotografieren?

Das Projekt "Transboundary Rivers" ist abgeschlossen. Aber wenn ich eine tolle Geschichte über einen weiteren Fluss finde, werde ich sie auf jeden Fall erzählen!

Nach acht Flüssen: Was ist Ihre Erkenntnis?

Ich habe erkannt, dass Wasser und Flüsse geschützt werden müssen. Ich bin nicht gegen Wasserkraftdämme, aber definitiv gegen Megadämme. Sie zerstören ganze Ökosysteme, blockieren Fischwanderungen – auch wenn einige Fischtreppen haben, aber die meisten davon sind zum Beispiel nicht für Mekong-Fische geeignet, blockieren Sedimente und deshalb versinken Deltas, wie das Mekong-Delta in Vietnam.

Ich erinnere gerne daran, dass im Universum Wasser seltener ist als Gold, und dass wir ohne Öl leben können, aber nicht ohne Wasser.

Die Ausstellung “Transboundary Rivers” ist in Zusammenarbeit mit dem Magazin GEO entstanden.

Website des Fotografen: http://franckvogel.com/

Interview per email: Edda Fahrenhorst

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