„Wir wissen so wenig von diesem Planeten.“ Interview mit den Fotografen Nicole Ottawa und Oliver Meckes

„Wir wissen so wenig von diesem Planeten.“

Im Interview sprechen Nicole Ottawa und Oliver Meckes über das Fotografieren mit einem Rasterelektronenmikroskop.

Wie sieht das Leben in einem Stück Schwarzwaldboden aus? Was waren Lieblingsfund und Erkenntnisse des Projekts? Und wie kommt man überhaupt auf die Idee mit einem Rasterelektronenmikroskop zu fotografieren? Diese und weitere Fragen beantworten die Fotografen im Interview:

Fotografie Zingst: Wie kommt man auf die Idee, mit einem Rasterelektronenmikroskop zu fotografieren (im übertragenen Sinne) und mit welchem Projekt hat das angefangen?

Der Wunsch danach kam mit der ersten REMAufnahme, die ich in den Siebziger-Jahren gesehen habe. Denn mit 12 Jahren bekam ich ein Mikroskop geschenkt- ein Lichtmikroskop natürlich- und war von Anfang an von der Mikrowelt begeistert. Meine ersten Bilder am Lichtmikroskop war ein Wasserfloh und Vitamin C, die habe ich als Schüler gemacht. Nicole sah sich im Bio-Studium mit schlechten Bestimmungs- und Lehrbildern konfrontiert und wollte es besser machen.( Ein Buch über Ameisen barg erste gute SW-REM Aufnahmen, die auch ästhetisch aussahen).

Das erste Projekt, das „eye of science“ 1995 in Angriff genommen hat, waren Heilpflanzen. Das war die Idee von Nicole. Wir hatten unseren Garten neu angelegt, und es sollten sich viel „Nützliches" darin tummeln…. da lag es nahe, das Nützliche, Wohlduftende genauer zu betrachten.

Welche Projekte folgten und mit ihnen die technischen Weiterentwicklungen?

Das zweite war der Komposthaufen. Da wimmelt es von Bakterien, Pilzen, Einzellern, Maden und Würmern. Sehr ähnlich dem Waldboden.

Wir sind Mitte der Neunziger durchgestartet und haben als erste die Digitaltechnik genutzt, um REM-Bilder differenziert zu colorieren. 2008 kam für uns ein großer Schritt zu noch besseren REM Aufnahmen. Wir haben ein Feldemissions-Raster EM angeschafft. Mit diesem waren nochmals deutlich stärkere Vergrößerungen möglich als mit unserem ersten Gerät.

Durch die Positionierung der Detektoren im Elektronenmikroskop versuchten wir immer eine dem normalen Foto möglichst ähnliche Bildwirkung zu erzielen (Licht und Schatten), auch um den räumlichen Eindruck deutlich zu verstärken. Das wird klassischerweise am REM nicht gemacht.

Wie geht das mit dem Rasterelektronenmikroskop ganz grundsätzlich?

Ein Elektronenstrahl rastert die Probe ab, die dann von der Probe reflektierten Elektronen werden Punkt für Punkt gemessen und daraus Pixel für Pixel das Bild aufgebaut. Das geht allerdings so schnell, dass man mehrere Bilder pro sec. während der Untersuchung des Objekts erhält. Ein hoch aufgelöster und rauschfreier Fotoscan dauert dann aber 10 Minuten.

Die Probe muss absolut trocken und elektrisch leitfähig sein, daher wird sämtliches biologisches Material aufwändig präpariert bevor es ins REM kann.

Welche Rolle spielt für Euch dabei Ästhetik, Bildaufbau & Co.?

Neben der wissenschaftlichen Exaktheit gleich auf, spielt also eine maßgebliche Rolle. Hat man endlich eine tolle Stelle gefunden ist es wie bei anderen Fotografen auch – die richtige Perspektive und der Ausschnitt werden bestimmt und das „Licht“ wird passend gemacht.

Der Waldboden: Wie ist es zu der Idee gekommen?

Der Nationalpark Nordschwarzwald wurde vor einigen Jahren gegründet und im Zuge dessen ein neues Museum geplant. Da sind wir auf die Organisatoren des Ganzen zugegangen und konnten sie recht schnell davon überzeugen, dass neben Fichte, Pilz, Hirsch und Eule grade die Mikrowelt im Wald eigentlich das wichtigste an der ganzen Sache ist.

Viele unserer Bilder werden nun bei Führungen durch den Park genutzt oder sind Teil der Ausstellung im Nationalpark-Museum.

Was habt Ihr erwartet und was habt Ihr entdeckt?

Wir hatten das Pech, dass Frühling und Sommer 2018 sehr trocken waren, daher war anfangs in den Proben sehr wenig zu entdecken. Nachdem wir die Kulturen dann aber über einige Wochen immer wieder „beregnet“ hatten, begann das Leben darin zu explodieren.

Manche Tiere haben wir komplett vermisst-Asseln und Hundertfüßer zum Beispiel, aber in einer Hand voll Erde 10 verschiedene Milben-Arten zu finden war schon ein Erlebnis! Auch die Vielzahl an Einzellern, die ja auf Wasser angewiesen sind, hat uns erstaunt. Die meisten überbrücken Trockenzeiten indem Sie erstarren und erwachen beim nächsten Regen wieder zum Leben.

Es wurde während der Arbeit recht schnell klar, dass es gar nicht so viele Spezialisten gibt, die unsere Funde auch bestimmen konnten – und viel Entdecktes auch nicht bis zur Art hinunter bestimmt werden konnte/kann (da ist in der Forschung noch viel Luft nach oben).

Was ist Euer Lieblingsfund?

„Den Einen" gibt es gar nicht. Die Milben waren vielfältiger als erwartet, auch bei Nematoden (Fadenwürmern) haben wir erstaunliche Unterschiede entdeckt und dann auch noch Schirm – Pilze auf so etwas winzigem wie einer Tannennadel zu finden – da fühlt man sich dann schon manchmal wie Alice im Wunderland.

Und last but not least: Was ist Eure ganz persönliche Erkenntnis aus dem Projekt?

Wie sind ja beide eigentlich tief in der Biologie verwurzelt. Dass aber das Leben im Boden, speziell im Wald so eng miteinander verknüpft ist und die Zyklen wenige Stunden (Bakterien und Einzeller) bis zu Jahrhunderten (Wachsen und komplettes vergehen eines Baums) dauern können, hat uns wieder einmal Ehrfurcht vor der Schöpfung und Staunen gelehrt. Wir wissen so wenig von diesem Planeten, auf dem wir auch leben dürfen- und stören/zerstören wahrscheinlich viel mehr als gemeinhin bekannt ist.

Das Interview führte Edda Fahrenhorst.

Website der Fotografen: www.eyeofscience.de

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