"Ungeschützt und der Situation völlig ausgeliefert" Haie schwimmen im Meer

"Ungeschützt und der Situation völlig ausgeliefert"

Diese Bilder sind poppig, spektakulär und laut: Michael Muller fotografiert auf seine sehr eigene und einzigartige Weise Haie – voller Detailreichtum und verdammt nah dran. Denn hier knallt es richtig: Wer sonst kommt auf die Idee, die Tiere unter Wasser mit riesigen 1.200 Watt starken Beleuchtungsanlagen anzublitzen? Niemand! Deswegen gab es diese Technik schlichtweg nicht und Michael Muller erfand seine Blitze einfach selbst.

horizonte zingst: Wie fühlt sich das an: Unter Wasser zu schwimmen, Auge in Auge mit den Haien, ohne Käfig?

Michael Muller: Bei der Frage muss ich kurz innehalten und versuchen, die richtigen Worte zu finden: Am ehesten kann ich es als das ursprünglichste Gefühl beschreiben, denn es gibt weder Zukunft noch Vergangenheit, wenn man sich in ihrer Welt befindet. Es ist die reinste Form von dem Empfinden, gänzlich im Hier und Jetzt zu sein – ungeschützt und der Situation völlig ausgeliefert. Wenn ich ehrlich sein soll: es gibt keine Worte, um diesen Moment wirklich treffend zu beschreiben.

Du hast die Angst gegenüber den Haien, die dich ja vor allem als Kind begleitet hat, abgelegt, hast du jetzt überhaupt noch vor irgendetwas Angst? Wenn ja, vor was?

Manchmal ertappe ich mich dabei, wie ich auf die Stimme in meinem Kopf höre (die nicht ich bin), die mir ständig Lügen über die Zukunft und schreckliche Dinge erzählt, die passieren werden, die aber zu 99 % nie eintreten. Wenn ich meine Gedankenwelt verlasse, dann macht es mir Angst zu sehen, wozu Menschen fähig sind und was sie einander antun.

Hast du unter Wasser bei den Haien den Sinn des Lebens / deine Erfüllung gefunden?

Ich finde den Sinn des Lebens jeden Tag – und noch öfter finde ich, was das Leben nicht ausmacht.

Hai

Welches Know-How aus deinem vorherigen Berufsleben als Fotograf konntest du unter Wasser anwenden? Konntest du etwas von den Fotoshootings unter Wasser mit in die Shootings über Wasser nehmen?

Alles, was ich unter Wasser gemacht habe, ist aus dem entstanden, was ich über Wasser gelernt habe. Umgedreht ist die wichtigste Lektion, die ich von den Haien mit an die Oberfläche nehmen durfte: Geduld!

Was willst du mit deinem Projekt bei den Menschen bewirken?

Ich möchte jeden dazu ermutigen, sich eine unvoreingenommene Sicht auf die Dinge zu bewahren und immer bereit zu sein, neue Erkenntnisse zu akzeptieren: Dass die Haie eben NICHT unsere Feinde sind und nur eine sehr geringe bis gar keine Gefahr für uns darstellen und wir sie dennoch jeden Tag ein Stückchen weiter auslöschen. Diese Tiere sind die Spitze eines sehr fragilen Ökosystems: Wenn wir sie ausrotten, dann zerstören wir mit großer Wahrscheinlichkeit unsere eigene Zukunft, die untrennbar mit der Natur verbunden ist.

Hast du ein Lieblingsbild oder einen Lieblingsmoment?

Ich verwende das Wort Liebling nicht allzu oft. Ich habe viele Bilder, die einen besonderen Platz in meinem Herzen haben. Wenn ich ein einziges wählen müsste, dann wäre es wohl das Foto des Weißen Hais mit aufgerissenem Maul, das auch das Cover meines Buchs ziert, das im Taschenverlag erschienen ist.

Was kommt als nächstes?

Ich arbeite seit neun Jahren an meinem nächsten Buch und bin fast fertig mit den Pferde-Shootings, die mich mehrmals um die ganze Welt geführt haben.

Wenn du morgen aufwachen und nicht mehr tauchen könntest, was würdest du am meisten vermissen?

Ich würde vor allem die Ruhe vermissen und das Gefühl, Eins mit der Natur zu sein, das sich unter Wasser auf eine ganz eigene Weise einstellt, und nicht vergleichbar ist mit dem, was ich an Land empfinde.

Das Interview führte Nina Hesse
Website des Fotografen: https://mullerphoto.com/#/

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