"Oasen sind lebenswichtige Quellen für Nahrung, Wasser und Schutz für Menschen und Tiere." Interview mit M´hammed Kilito

"Oasen sind lebenswichtige Quellen für Nahrung, Wasser und Schutz für Menschen und Tiere."

"Wenn die Oasen austrocknen, verschwindet auch die von ihnen abhängige Flora und Fauna, was zu einem Verlust an biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen führt. Mit dem Verlust von Wasser und fruchtbarem Land fallen die Ernten aus, und viele Bauern sind gezwungen, ihr Land aufzugeben, was zu Landflucht und zunehmender Armut führt. Der Rückgang der Oasen wirkt sich auch auf das kulturelle Erbe der Region aus, da viele der traditionellen Praktiken und Wissenssysteme, die mit dem Anbau und der Bewirtschaftung der Oasen verbunden sind, verschwinden", so der Fotograf M´hammed Kilito.

Im Interview erzählt der Fotograf von den Anfängen seines Projekts, woher seine Motivation rührt und welche Schlussfolgerungen er aus seiner Arbeit zieht.

Fotografie Zingst: M’hammed, wann, wie und warum hast Du mit der Arbeit "Before it's Gone" begonnen?

M'hammed Kilito: Ich habe 2016 an der Caravane Tighmert Residency teilgenommen, einer Kunstresidenz in der Oase Tighmert. Durch die Begegnungen mit der dortigen Bevölkerung konnte ich dann besser verstehen, welche Bedeutung die Probleme haben, mit denen diese Ökosysteme konfrontiert sind. Mir wurde klar, dass Wüstenbildung, wiederkehrende Dürren und Brände, veränderte landwirtschaftliche Praktiken, Raubbau an natürlichen Ressourcen, Landflucht und Wasserknappheit allesamt unmittelbare Bedrohungen für die Existenz der Oasen sind.

Meine intensiveren Recherchen begannen dann im Jahr 2019, und im August 2020 unternahm ich meine erste Exkursion. Am 25. August 2020 brach in der Oase Tighmert ein Feuer aus, das mehrere Häuser, Hunderte Dattelpalmen, Obst- und Gemüsegärten und mehr als 400 Stück Vieh verbrannte. Der Temperaturanstieg und der Wasserstress haben erhebliche Auswirkungen auf die Vegetation der Oase, die, wenn sie ausgetrocknet ist, schneller in Brand geraten kann. Mir fiel auf, dass die Medien kaum darüber berichteten, und ich beschloss, mit einem Kollegen dorthin zu fahren. Wir fotografierten beide und schrieben einen Artikel in einer der meistgelesenen Zeitschriften Marokkos, und das war der Anfang von 'Before it's Gone'.

Meine Motivation, an diesem Projekt zu arbeiten, ist, dass ich durch die Darstellung der Auswirkungen des Klimawandels auf die Oasen in Marokko dazu beitragen kann, die Öffentlichkeit für dieses Thema zu sensibilisieren. Die Fotos können als wirkungsvolles visuelles Mittel dienen, um die Dringlichkeit und den Ernst der Lage zu vermitteln. Ich dachte auch, dass das Projekt Menschen und Entscheidungsträger dazu inspirieren könnte, Maßnahmen zu ergreifen, um diese wertvollen Ökosysteme zu erhalten.

Welche Oasen hast Du besucht und nach welchen Kriterien hast Du sie ausgewählt?

In den drei Jahren, in denen ich an dem Projekt gearbeitet habe, habe ich fast fünfzig Oasen besucht. Zu Beginn gab es keine wirklichen Kriterien, ich bin einfach losgezogen und habe mir jede Oase angesehen, die mir begegnet ist. Ich verbrachte einige Zeit vor Ort, diskutierte mit den Bewohnern und versuchte zu verstehen, inwieweit sie vom Klimawandel betroffen sind. Ich knüpfte nach und nach Beziehungen, ohne wirklich zu wissen, wohin mich das alles führen würde. Nach und nach und bei mehreren Besuchen fand ich interessante Geschichten, die ich dokumentieren konnte, und Landschaften, die es mir ermöglichten, die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Wasserressourcen der Oasen und die Folgen für die örtliche Bevölkerung zu messen.

Je mehr Fotos ich machte, desto klarer wurde mir, was mir fehlte und was ich unbedingt finden musste, um meine visuelle Erzählung zu entwickeln. Ich bin zum Beispiel speziell in die Oase M'hamid el Ghizlane gefahren, um die Wüstenbildung zu dokumentieren, weil ich durch meine Recherchen wusste, dass ich sie dort und weniger in anderen Oasen finden würde.

Wie hast Du Dich fotografisch der Situation und den Menschen angenähert?

Ich denke nicht zu viel darüber nach, ich versuche einfach zu variieren, was ich fotografiere, damit ich genug Material habe, um meine Geschichten zu erzählen. Es gibt Porträts, Landschaften, Innenräume, Details, Nahaufnahmen und Fernaufnahmen. Ich verwende eine Hasselblad-Mittelformatkamera aus dem Jahr 1972 und ein einziges Objektiv, das dem Blickwinkel des menschlichen Auges von 40 mm entspricht. Ich weiß, dass ich, wenn ich die Kamera in die Hand nehme, im Sucher das sehe, was ich bereits mit dem bloßen Auge gesehen habe. Diese Kamera diktiert auch meine Arbeitsweise, da ich keine Bilder von Dingen machen kann, die sich schnell bewegen. Ich brauche mindestens zwei Minuten, um die Kamera auf ein Stativ zu setzen, das Licht mit dem Belichtungsmesser zu messen, den Rahmen zu setzen und zu fokussieren. Die Kamera erlaubt es mir schließlich, mir Zeit zu nehmen und nachzudenken, bevor ich ein Bild aufnehme, und so entstehen diese stillen, kontemplativen, frontalen und geometrischen Arbeiten.

Was sind die Folgen des Austrocknens der Oasen und was ist Deine persönliche Schlussfolgerung aus Deiner Arbeit?

In Marokko hat das Austrocknen der Oasen sowohl für die Umwelt als auch für die lokale Bevölkerung erhebliche Folgen. Die mehr als 1.000 über das ganze Land verstreuten Oasen sind lebenswichtige Quellen für Nahrung, Wasser und Schutz für Menschen und Tiere. Wenn die Oasen austrocknen, verschwindet auch die von ihnen abhängige Flora und Fauna, was zu einem Verlust an biologischer Vielfalt und Ökosystemleistungen führt.

Darüber hinaus bedroht das Austrocknen der Oasen die traditionellen Lebensgrundlagen der lokalen Gemeinschaften, von denen viele ihr Einkommen aus der Landwirtschaft und dem Tourismus beziehen. Mit dem Verlust von Wasser und fruchtbarem Land fallen die Ernten aus, und viele Bauern sind gezwungen, ihr Land aufzugeben, was zu Landflucht und zunehmender Armut führt. Der Rückgang der Oasen wirkt sich auch auf das kulturelle Erbe der Region aus, da viele der traditionellen Praktiken und Wissenssysteme, die mit dem Anbau und der Bewirtschaftung der Oasen verbunden sind, verschwinden.

Um die Folgen des Austrocknens der Oasen in Marokko abzumildern, bedarf es nachhaltiger Wasserbewirtschaftungsmethoden wie Regenwassersammlung, Tröpfchenbewässerung und Grundwasseranreicherung. Außerdem müssen die lokalen Gemeinschaften unterstützt und befähigt werden, ihre Oasen nachhaltig zu bewirtschaften und sich an die veränderten Umweltbedingungen anzupassen. Durch gezielte Maßnahmen, die ein nachhaltiges Oasenmanagement und die Wiederherstellung des Ökosystems unterstützen, können wir dazu beitragen, das einzigartige natürliche und kulturelle Erbe der marokkanischen Oasen für künftige Generationen zu erhalten.

Das Interview führte Edda Fahrenhorst.

Website der Fotografen: www.kilito.com

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