“Mit Skalpell und Pinzette zerlege ich die Blüten.” Interview mit der Fotografin Annabelle Fürstenau

“Mit Skalpell und Pinzette zerlege ich die Blüten.”

Annabelle Fürstenaus Aufnahmen von sezierten Blütenständen wirkten in ihrer linearen Anordnung neutral und zugleich poetisch.

Im Interview erzählt die Fotografin, wie sie auf die Idee zu der Arbeit gekommen ist, nach welchen Kriterien sie die Pflanzen ausgesucht hat und welches ihr Lieblingsmotiv ist.

Fotografie Zingst: Wie bist Du auf die Idee zu der Arbeit Blüten/Blätter gekommen?

Annabelle Fürstenau: Die ersten Bilder, die jetzt nicht mehr in der Serie sind, waren Teil meiner Diplomarbeit. Damals beschäftigte mich die Frage, inwieweit das große Ganze in der Summe seiner Einzelteile noch zu erkennen ist – beziehungsweise was passiert, wenn ich diese Einzelteile neu sortiere. Im Diplom habe ich dafür mit Text und Fotografie gearbeitet, wobei die ersten fotografischen Versuche zu dem Thema zerlegte Blumensträuße waren. Das hat aber nicht funktioniert. Es wurden enorm raumgreifende Arrangements, und weil es so lange dauerte, waren die Pflanzenteile letztendlich alle welk und unansehnlich. So habe ich angefangen, mit einzelnen Blütenständen zu arbeiten. Das waren überschaubare Einheiten mit trotzdem vielen Überraschungsmomenten.

Nach welchen Kriterien hast Du die Pflanzen ausgesucht?

Es zeigte sich, dass Blütenstände mit relativ vielen und unterschiedlich geformten Teilen interessantere Bilder ergeben, als aus nur wenigen Teilen bestehende Einzelblüten. Es sind daher mehrheitlich Korb- oder Doldenblütler in der Serie. Ich habe vieles ausprobiert, und von jeder Pflanze, die jetzt abgebildet ist, habe ich mehrere Exemplare zerlegt und arrangiert, bis ich sie gut genug kannte und wusste, dass sie als Bild funktionieren würde. Durch die Entscheidung für ein durchgehendes Grundformat von 40 x 50 cm sind auch einige Pflanzen aus dem Raster gefallen, weil sie größere Formate gebraucht hätten.

Wie hast Du die Strecke fotografisch umgesetzt?

Ich habe die Blütenstände zunächst seziert und die Einzelteile in einem feuchten Tuch eingeschlagen, damit sie frisch bleiben. Dann habe ich sie auf einer vorher markierten Fläche auf einem großen Leuchtpult in Zeilen sortiert, was oft mehrere Stunden in Anspruch nahm – eine sehr meditative Arbeit. Das Leuchtpult war dimmbar, so dass ich bei sehr feinen, durchscheinenden Pflanzenteilen die Lichtintensität etwas zurücknehmen konnte, und auch das Licht der Studioblitze habe ich immer ein bisschen angepasst. Aufgenommen sind die Bilder mit einer analogen Großbild-Kamera auf 4x5″ Farb-Negativmaterial. Ich habe die Negative digitalisiert und soweit nachbearbeitet, dass der Hintergrund auf allen Bildern nahezu weiß ist, um die typografische Anmutung zu verstärken.

Ausgegeben sind die Fotografien im Maßstab 1:1, die Größe der Pflanzenteile auf dem Blatt entspricht also ihrer natürlichen Größe. Im Original sind sie auf mattem Hahnemühle-Papier gedruckt und in einem Objektrahmen montiert, so dass das Papier etwas Spiel hat und der Blatt-Charakter hervorgehoben wird.

Hast Du ein Lieblingsmotiv?

Mir gefallen besonders die Pflanzen, bei denen ich während des Sezierens überraschende, mir unbekannte Formen gefunden habe – wie bei der Lupine zum Beispiel, oder dem Flieder. Und die weiße Akelei mag ich wegen der schönen Formen ihrer Einzelteile und der so zurückhaltenden Farbigkeit.

Das Interview führte Edda Fahrenhorst.

Website der Fotografin: https://annabellefuerstenau.de/

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