"Irgendwie ergänzten Friedrichs Gemälde meine Fantasie" Interview Kilian Schönberger

"Irgendwie ergänzten Friedrichs Gemälde meine Fantasie"

Passend zum Caspar-David-Friedrich-Jubiläum begibt sich der Waldfotograf Kilian Schönberger auf eine fotografische Sehnsuchtsreise und folgt den Spuren des bekanntesten Malers der deutschen Romantik.

In der Ausstellung im Max Hünten Haus Zingst erscheinen die schönsten Gemälde Friedrichs so in einem nie gesehenen Kontext.

Im Interview spricht Kilian Schönberger über den Einfluss Caspar David Friedrichs auf seine Fotografie, was sie gemeinsam haben aber auch unterscheidet und verrät, was er den Maler fragen würde, wenn er die Möglichkeit dazu hätte.

Fotografie Zingst: Wann bist Du das erste Mal mit dem Maler Caspar David Friedrich in Berührung gekommen?

Kilian Schönberger: Ich glaube das erste Mal war entweder der "Wanderer über dem Nebelmeer" in einem Kinderlexikon oder ein Briefmarkenmotiv beim Sammeln in den 90er Jahren. Aber dieser "first contact" galt vor allem den Gemälden, die Person Caspar David Friedrich habe ich erst viel später genauer kennengelernt.

Wie hat seine Malerei als Kind auf Dich gewirkt?

Gewissermaßen vertraut. Er hat ein Stück weit das illustriert, was mich interessierte - ich habe früh Sagenbücher gelesen, von Griechenland bis zu den Nordischen Epen. Auch "Herr der Ringe" habe ich gelesen, bevor ich zehn Jahre alt war. Irgendwie ergänzten Friedrichs Gemälde meine Fantasie in Kombination mit der Landschaft vor der damaligen Haustür: Wald, Felsen und Burgruinen.

Inwiefern hat CDF Dich und Deinen weiteren Werdegang beeinflusst?

Der Einfluss auf meine Fotografie ist, denke ich, offenkundig. Die etwas distanzierten, fast an Bühnenbilder erinnernden Kompositionen, aber auch die Vorliebe für Nebel, im Dunst verschwindende Bergketten, Wälder und so weiter. Bei den Recherchen zu meiner Geografie-Diplomarbeit - es ging um die Analyse der Wirkung von Landschaftsmotiven in der Werbung - begegneten mir Friedrichs Werke. Vielleicht hat er mich auch dazu inspiriert, Deutschlands Landschaften ab ca. 2010 intensiv zu fotografieren. Damals waren die Landschaften vor unseren Haustüren fotografisch noch ziemlich unentdeckt.

Was verbindet/unterscheidet Dich mit/von Caspar David Friedrich?

Mich verbindet die Vorliebe für Atmosphäre, Wetterphänomene (Nebel!), Dämmerungslicht etc. Auch die etwas düstere Grundstimmung der Motive haben wir gemeinsam. Abgesehen von meinen Werken bin ich aber glaub ich eher ein Rationalist und weniger ein Romantiker. Ich betrachte ein Motiv und versuche die Natur- und Kulturgeschichte dahinter zu verstehen. Friedrich ging es dagegen darum, Ideallandschaften zu erschaffen, die sein Inneres, bzw. das Streben nach dem Göttlichen, widerspiegeln.

Sowohl bei CDF als auch bei Dir ist eine Inszenierung der Natur zu sehen. Welche Vorbereitungen braucht es dafür? Hast Du das fertige Bild schon vorher im Kopf?

Ich denke, ich kann ganz gut in Gedanken simulieren, wie ein bestimmter Ort bei idealen Bedingungen aussieht bzw. fotografisch wirkt. Dann versuche ich durch akribische Vorbereitung (Wetter, Licht, Jahreszeit) einen optimalen Zeitpunkt für das finale Bild auszumachen, um dann im richtigen Moment vor Ort zu sein. Die Atmosphäre eines Bildes ist für mich wichtiger als der dargestellte Ort. Der Zeitraum zwischen der Planung eines Motivs und der finalen Aufnahme kann sehr unterschiedlich sein. Manchmal gelingt mir die Umsetzung direkt am nächsten Tag, oft dauert es Wochen, Monate oder sogar Jahre. Es gibt Motive, für die ich seit einem Jahrzehnt auf perfekte Umstände warte. Im Gegensatz zu Friedrich kann ich als Fotograf die Stimmung leider nicht im Atelier erzeugen - ich muss sie vor Ort festhalten. Die letzten Tage und Stunden vor einer Fototour steigt der Adrenalinspiegel an, gerade wenn sich zeigt, dass die Bedingungen perfekt sein könnten. Oft klappt es dann, aber eine Garantie gibt es selbst bei bester Planung trotzdem nicht.

Findest Du die Fotospots spontan?

Wenn ich morgens starte, habe ich meist drei bis fünf Motivalternativen an verschiedenen Spots vorbereitet und entscheide dann spontan welche davon ich aufsuche. Inzwischen hat mein Locationsarchiv ca. 13.000 Einträge in Mitteleuropa, so dass ich eigentlich überall spannende Motive zur Verfügung hab. Aber wie gesagt, manchmal hakt es dann doch an irgendeinem Detail (wie der Nebel verschwindet plötzlich am Motiv) - dann bin ich aber sehr flexibel spontan im Nahumfeld neue Motive zu entdecken. Was zu sehr überraschenden Ergebnissen führen kann.

Welches Equipment benötigst Du für die Bilder?

Im Lauf der Jahre habe ich mein Equipment auf maximale Flexibilität hin ausgerichtet. D.h. nur so viele Objektive wie nötig und relativ geringes Gewicht der Gesamtausrüstung. Seit ich am Alpenrand wohne, merke ich bergauf jedes gesparte Gramm. Meine Standardausrüstung ist die Nikon Z8 in Kombination mit einem Weitwinkel-, Normal- und Telezoom. Dazu kommt noch ein leichtes Carbonstativ. Polfilter und Graufilter - das wars dann aber auch schon. Natürlich habe ich noch Festbrennweiten für bestimmte Zwecke (Milchstraße z.B.), die aber nur gezielt mitgenommen werden.

Die Natur erscheint als Zufluchtsort, dennoch ist dem Betrachter ein völliges Eintauchen in das Bild erschwert, weil sich ein Mensch im Bild befindet. Wofür steht diese zentrale Figur in Deiner Fotografie?

Insgesamt setze ich menschliche Figuren viel seltener ein als Friedrich. Dennoch würde ich sagen, dass die Personen in Rückansicht das Eintauchen gar nicht so sehr erschweren. Denn heutzutage sind uns derartige Ansichten nicht nur aus der Kunst, sondern z.B. auch aus Computerspielen vertraut, in der die Charaktere häufig in ähnlicher Perspektive gesteuert werden. Der Mensch in Rückansicht wird so gleichermaßen ein Platzhalter für uns selbst bei der Spiel- oder Landschaftserfahrung. Eben weil das identitätsstiftende Gesicht nicht gezeigt wird. Ein weiterer Vorteil der menschlichen Figuren ist, dass sie als Maßstab für die Naturelemente dienen. So kann der Durchmesser eines Baumstamms auf einem Foto vom Betrachter viel besser eingeschätzt werden, wenn ein Mensch daneben steht.

Mit Deiner großer Reichweite in den sozialen Medien weckst du fotografische Begehrlichkeiten. Wie stehst Du zu Deiner Verantwortung als Naturfotograf?

Empfehlenswert ist, nur Plätze zu zeigen, die auf schon vorhandenen, nicht gesperrten Wegen erreicht werden können. Wenn ein Ort nicht entdeckt werden soll, dann darf er überhaupt nicht im Internet gezeigt werden. Das häufig empfohlene Weglassen der Ortsangabe verzögert nur die Entdeckung, die meisten Bilder ohne Ortsangabe, deren Spot mich interessierte, konnte ich (vielleicht aufgrund meines Geografiestudiums) recht schnell knacken. Geschützt ist nur, was virtuell nicht existent ist. Gleichzeitig haben die Sozialen Medien dazu geführt, dass sich viele Leute an relativ wenigen Hypespots versammeln. Dort ist dann tatsächlich wichtig für Besucherleitung zu sorgen. Aber die meisten Leute fotografieren an Spots, die einfach zu erreichen sind und aufgrund der räumlichen Gegebenheiten fast immer gute Bilder liefern. Die beschwerlichen Motive, die nicht in 5 Minuten zu erreichen sind oder nur bei bestimmten Bedingungen funktionieren, sind von den Besucherströmen weit weniger betroffen. Am Eibsee an der Zugspitze fliegen einem am Wochenende schon mal zehn Drohnen um die Ohren. Da für mich aber auch das Naturerlebnis bei der Aufnahme wichtig ist, versuche ich, derartige Orte zu meiden.

Last but not least: Wenn Du morgen aufwachst und CDF noch leben würde, was würdest Du ihn fragen?

Spannend wäre zu erfahren, wie er die Symbolik seiner Bilder selbst verstanden hat - ob die Interpretationen der Kunsthistorik richtig sind, oder ob wir Friedrich vielleicht missverstehen. Außerdem würde ich erwarten, dass Friedrich in der heutigen Gegenwart eine ganz andere Bildsprache entwickeln würde. Zu Beginn des 19. Jahrhundert waren seine Gemälde revolutionär - der Mönch am Meer z.B. war für Zeitgenossen eine visuelle Offenbarung aufgrund der weiten Leere des Strandes mit der einsamen menschlichen Gestalt. Die Vorstellung, mit welcher Bildsprache Friedrich in der heutigen Zeit seine Ideallandschaften aus dem Inneren heraus entwickeln würde, ist äußerst spannend.

Das Interview führte Nina Hesse.

Website des Fotografen: kilianschoenberger.de

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