„Irgendwann müßte man mit dieser Wahrnehmung mal fotografieren gehen.“ Interview mit dem Fotografen Peter Bialobretzki

„Irgendwann müßte man mit dieser Wahrnehmung mal fotografieren gehen.“

"Meine Position ist weder aktivistisch noch neutral. Die Bilder legen eine Verwundung offen, die nur jetzt, wo sich der Wald in einer ökologisch notwendigen Umbausituation befindet, transparent wird. Die gute Nachricht: Laut aktuellem Waldzustandsbericht wächst der Wald in Deutschland kontinuierlich, die Monokulturen reduzieren sich, Mischbepflanzung nimmt zu", so der Fotograf Peter Bialobretzki.

Der Fotograf Peter Bialobretzki ist mehrfach in Meditationsretreats – zur Sensibilisierung der Sinne – gewesen, und hat daraufhin lange Wanderungen, samt Mittelformatkamera und Stativ, unternommen. Im Interview verrät er, warum es ihn immer wieder in den Wald zieht, was er über seine Bilder denkt, und gibt ein Zwischenfazit:

Fotografie Zingst: Warum Wald?

Peter Bialobretzki: Der Wald hat mich schon immer gereizt, ist allerdings ja schon sehr viel fotografiert worden. Mein erster Versuch „Paradise Now“ hatte ja noch mit spektakulärem Licht zu tun, während hier ja eher eine sensible, unspektakuläre Wahrnehmung zum Zuge kommt. Woher das kommt? Ich bin mehrfach in einem Meditationsretreat gewesen – durch die Weltabgewandtheit sensibilisieren sich alle Sinne täglich etwas mehr und ich dachte, irgendwann müsste man mit dieser Wahrnehmung mal fotografieren gehen.

Und warum der Waldschaden?

Der Waldschaden war ja in den 1980er Jahren schon mal ein großes Thema. War es damals noch der saure Regen ist es heute eine Kombination aus Trockenheit und Borkenkäfer und Monokulturen, was man besonders im Harz sehen kann wo diese Gegebenheiten zu einer Art "perfektem Sturm" geführt haben und eine beinahe apokalyptische Landschaft geschaffen haben.

Wenige Dinge sind so schwer zu fotografieren, wie der Wald – wie gehst Du vor?

Ich suche alle Mittelgebirge und einige andere Landstriche auf, die als besonders betroffen gelten. Dann parke ich das Auto und gehe, wenn das Licht richtig ist, lange mit Mittelformatkamera und Stativ wandern

Du erwähntest, dass Du aus einer grundsätzlichen ästhetischen Haltung heraus fotografierst – was meinst Du damit?

Bei allen Projekten der letzten Jahre geht es mir darum, eine Art „All-Over“ zu fotografieren, das jenseits des faktischen, oder dokumentarischen auch möglichst eine abstrakte bildnerische Qualität zu generieren. Eigentlich soll nichts im Bild hervorstechen, sondern eine Art „Sense of Place“ evozieren. Also nicht so sehr wie es aussieht, sondern wie es sich anfühlt.

Und wie schaffst Du es, eine solche visuelle Bandbreite an Waldbildern zu fotografieren?

Das ergibt sich aus Erfahrung und dem Wunsch, das Thema komplett visuell durch zu deklinieren. Ich fotografiere so lange, bis ich das Gefühl habe, dem Ganzen nichts mehr hinzufügen zu können, also bis mein Vokabular erschöpft ist. Dabei profitiere ich natürlich von meiner Erfahrung.

Wie schaust Du selber auf Deine eigenen Bilder?

Kritisch, immer wieder, ich versuche erst zu urteilen und Entscheidungen zu treffen, wenn zwischen Aufnahme und Betrachtung mindestens ein halbes Jahr vergangen ist.

Was denkst Du oder besser: Was hoffst Du, was der Betrachter aus Deinen Bildern mitnimmt?

Da mische ich mich nicht ein, reicht ja, wenn ich die Bilder mache.

Die Strecke ist noch in Arbeit, aber kannst Du schon ein persönliches Zwischenfazit ziehen?

Das ist echt schwer, ich bin ja nicht dazu da, meine Bilder zu beurteilen, sondern sie zu machen. Ich glaube, es macht Sinn, weil es einen Moment in der Zeit beschreibt in der die für natürlich gehaltene Umwelt permanent Gegenstand aktueller politischer und gesellschaftlicher Debatten ist. Die Fotografie zeigt uns immer auch, wie wir waren und was wir der bebauten und unbebauten Umwelt antun.

Das Interview führte Edda Fahrenhorst.

Website der Fotografen: www.bialobrzeski.net

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