"Ich wollte unbedingt nach Cox’s Bazar zurückkehren" Interview Ismail Ferdous

"Ich wollte unbedingt nach Cox’s Bazar zurückkehren"

Sea Beach ist eine Hommage an den beliebten Vergnügungsort, der sich aber auch den Folgen von Globalisierung und Klimawandel stellen muss.

Wenn aktuell in den Medien von Cox’s Bazar die Rede ist, wird zumeist über eines der größten Flüchtlingslager der Welt gesprochen, in dem fast eine Million Rohingya vor dem Völkermord in ihrem Heimatland Myanmar Zuflucht gefunden haben. Die meisten in Bangladesch verbinden mit Cox’s Bazar jedoch die Verheißung auf entspannte Urlaubstage am Strand. Der in New York lebende Fotograf Ismail Ferdous stammt selbst aus Bangladesch und kehrte an diesen besonderen Ort seiner Kindheit zurück, um die Strandgäste und die besondere Stimmung in leuchtenden Farben einzufangen. Schon als Kind faszinierte ihn die einzigartige Atmosphäre, die er in seiner dichten Serie spannend einzufangen wusste.

Für seine Serie Sea Beach wählte der Fotograf einen eher künstlerischen Weg: Für seine Porträts wählte er eine Lichtstimmung, die das typische Licht des Strandes überhöht, um die dortige kulturelle Lebendigkeit in einem strahlenden Licht zu präsentieren. Er fotografierte daher nur in den Wintermonaten, immer in den Mittagsstunden und setzte zusätzliches Kunstlicht ein, um „ein Gefühl von urlaubsähnlicher Gelassenheit, Entspannung
und einer schwebenden Atmosphäre hervorzurufen“, so Ismail Ferdous.

Wann hast Du den Strand von Cox’s Bazar kennengelernt?

Ismail Ferdous: Als ich fünf Jahre alt war, hatten meine Familie und ich die Gelegenheit, den Strand von Cox’s Bazar zu besuchen. Diese Reise war unser erster gemeinsamer Urlaub, und für meine Eltern war sie von besonderer Bedeutung, denn sie waren noch nie zuvor als Paar an einem Strand gewesen, geschweige denn mit ihrem ersten Kind. Soweit ich mich zurückerinnern kann, habe ich dort bis in meine späten Teenagerjahre hinein alle denkwürdigen Urlaube verbracht. Als junger Erwachsener kehrte ich mit meinen Freunden zurück. Im Laufe der Jahre besuchte ich Cox’s Bazar immer wieder für weitere Urlaube.

Dieser Strand blieb auch für Deine Arbeit ein wesentlicher Ausgangspunkt?

Ja, als ich anfing, ausgiebig um die Welt zu reisen, begann sich mein Umgang mit der Strandkultur zu verändern. Ich habe mich an die Strandkultur im Westen gewöhnt. Jahre später, im Jahr 2017, während der Rohingya-Flüchtlingskrise in der Region, war ich wieder in Cox’s Bazar. Obwohl ich in Hotels in Strandnähe wohnte, fand ich nie die Zeit, den Strand selbst zu besuchen. Erst auf meiner Reise im Januar 2020, kurz vor dem weltweiten Lockdown durch Covid-19, hatte ich etwas freie Zeit. Ich beschloss, die Gelegenheit zu nutzen und den Strand zu erkunden. Ich erlebte einen tiefen Kulturschock in meiner eigenen vertrauten Umgebung. Von meinen Gefühlen bewegt, begann ich, den Strand zu fotografieren.

Die hier präsentierte Auswahl an Motiven ist in den letzten Jahren entstanden?

In der Zeit der Pandemie lebte ich in New York und sehnte mich danach, meine Familie in Bangladesch wiederzusehen. Ich wollte unbedingt nach Cox’s Bazar zurückkehren, um meinen einstigen Lieblingsurlaubsort zu fotografieren. Im November 2021 war es dann endlich so weit: Ich konnte nach Bangladesch fliegen, um meine Familie wiederzusehen und den Strand von Cox’s Bazar zu fotografieren. Seitdem habe ich mehrere Reisen dorthin unternommen. Vier Jahre habe ich der Arbeit an dieser Serie gewidmet.

Was ist aus Deiner Sicht das Besondere an der bangladeschischen Strandkultur?

Die Strandkultur in Cox’s Bazar ist eine einzigartige Mischung aus verschiedenen Subkulturen, die einen Schmelztiegel der Traditionen bilden. Obwohl diese Strandkultur in den letzten zehn Jahren aufgrund der Globalisierung einige westliche Einflüsse erfahren hat, bleibt sie tief in ihrem traditionellen Wesen verwurzelt. So ist es zum Beispiel üblich, dass sich die Leute für einen gemütlichen Spaziergang oder ein malerisches Foto mit dem Meer im Hintergrund in ihren schönsten Kleidern zeigen. Frauen ziehen ihre liebsten Saris oder Salwar Kameez an, während Männer sich für ihre bevorzugten T-Shirts oder sogar Anzüge entscheiden. Das Sonnenbaden ist in dieser Kultur nicht üblich; tatsächlich habe ich während meiner gesamten Zeit, in der ich den Strand fotografiert habe, nur eine einzige Person gesehen, die ein Sonnenbad nahm, und das war ein chinesischer Tourist.

Hat sich die Atmosphäre am Strand in den letzten Jahren verändert?

Ja, die Atmosphäre am Strand hat sich in den letzten Jahren deutlich verändert. Ein bedeutender Unterschied ist die Anwesenheit von Rettungsschwimmern, eine relativ neue Einrichtung. Heutzutage bietet der Strand ein breites Spektrum an Wassersportaktivitäten wie Jetski, Parasailing, Kajakfahren, Reiten und vor allem Surfen.

Feine Kleidung, Luxustaschen, Sonnenbrillen: Einige der Motive scheinen an Werbe- oder Modefotos zu erinnern?

Mehrdeutigkeit spielt in dieser Serie eine wichtige Rolle und verleiht ihr Tiefe und Faszination. Mein Ziel war es, die Bildsprache auf humorvolle Weise zu verwenden und den Gesamtton fröhlich und leicht zu halten. Die vertraute Ästhetik, die an Werbung oder Modefotografie erinnert, vermittelt ein Gefühl der Vertrautheit in der Bildsprache, doch der Inhalt dieser Serie ist anders. Durch diesen Hauch von Ironie gelingt es mir, Parallelen zwischen der Massenstrandkultur und den Feinheiten dieser einzigartigen Strandkultur zu ziehen.

Am Rande ist auch der Klimawandel ein Thema?

Obwohl diese Fotoserie einen unbeschwerten Tonfall hat, wollte ich sie mit politischer und zeitgeschichtlicher Relevanz füllen und wichtige Phänomene in Bangladesch widerspiegeln. In den letzten Jahrzehnten hat der Klimawandel den Strand stark beeinträchtigt und seine Landschaft verändert. Der mit Sandsäcken bedeckte Bereich war früher die Strandpromenade, auf der die Leute an der Küste entlangfuhren.

Wirst du die Serie fortsetzen?

Ich glaube, ich habe diese Serie abgeschlossen, aber ich werde auf jeden Fall wieder nach Cox’s Bazar reisen, um dort Urlaub zu machen!

Das Interview führte Ulrich Rüter. Es wurde uns zur Verfügung gestellt von LEICA FOTOGRAFIE INTERNATIONAL (LFI).

Website des Fotografen: photographer/ismail-ferdous/

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