"Es war mir wichtig Protagonist:innen zu finden, mit denen ich mich identifizieren kann." Interview Sofia Brandes

"Es war mir wichtig Protagonist:innen zu finden, mit denen ich mich identifizieren kann."

Als positive und naturnahe Freizeitgestaltung entwickelt sich die Vogelbeobachtung zum Trend, den Sofia Brandes in ihrer Serie „Birds of a Feather“ zeigt. Dabei geht es ihr sowohl darum, den respektvollen Umgang mit der Natur und anderen Menschen zu zeigen als auch die Vogelbeaobachter selber auf liebevoll humorvolle Weise zu porträtieren. Sie selber hat mit ihnen viel Zeit in der Natur verbracht und ist dem Hobby auf skurrilen Reisen selbt verfallen, von denen sie im Interview erzählt.

Fotografie Zingst: Wie, wann und warum hast Du die Arbeit „Birds of a Feather“ gestartet?

Sofia Brandes: Ich habe im Herbst 2019 mit der Arbeit an dem Projekt im Zuge meiner Abschlussarbeit an der FH Dortmund begonnen. Ich war vorher bereits interessiert an Vögeln und konnte deutlich mehr Vogelarten benennen als viele Menschen aus meinem Umfeld. Die meisten meiner Freunde fanden das immer lustig. Die Faszination konnte ich aber mit meinem Bruder teilen. Als ich dann über eine Dokumentation im Fernsehen auf die Birdwatching-Szene aufmerksam geworden bin, die die Welt bereisen um seltene Vögel zu beobachten, hat sich mir eine neue Welt eröffnet. Damit hat meine Recherche begonnen.

Wie hast Du den Kontakt zu den einzelnen Gruppen bzw. Menschen bekommen, die Du in Deiner Strecke porträtiert hast?

Bei meiner Recherche war es mir wichtig Protagonist*innen zu finden, mit denen ich mich identifizieren kann. Zudem wollte ich das Thema aus dem Klischee des „männlichen Birdwatchers mit weißen Haaren und Camouflage-Kleidung“ rücken. Über Instagram habe ich den „Feminist Bird Club“ aus New York entdeckt. Molly Adams hat den Klub dort 2016 gegründet und das Konzept hat es bis nach Europa geschafft. Sie hat mir den Kontakt zu Libby und Geerte vermittelt, die monatliche Treffen in den Niederlanden organisiert haben.

Professor Peter Berthold kannte ich aus dem Fernsehen und durch seine Bücher, er sollte den Wissenschaftlichen Teil abdecken. Ich habe ihn per E-Mail kontaktiert und zunächst nicht mit seinem Rückruf gerechnet. Als plötzlich abends mein Handy klingelte und ich Prof. Bertholts Stimme am anderen Ende hörte, wurde der Termin ziemlich schnell konkret.

Über eine Online-Plattform für Birder in Deutschland habe ich von den Helgoländer Vogeltagen erfahren, die einmal jährlich im Herbst stattfinden. Ein Muss für jeden Vogelbeobachter, um sich auszutauschen und auf rund 400 Gleichgesinnte zu treffen. Auf der Fährüberfahrt zur Insel wurde ich direkt von drei Herren im Rentenalter freundlich aufgenommen, die sich sehr darüber gefreut haben, mir ihre Welt näher zu bringen.

Wie bist Du fotografisch vorgegangen?

Die Digitalfotografie ermöglicht es mir, schnell auf unterschiedliche Situationen zu reagieren. Ich kann viele, kleine Zwischenmomente einfangen und im Anschluss das passende Bild auswählen. Die entstandenen Bilder editiere ich direkt am Abend/nächsten Tag, um zu sehen welche Aspekte noch fehlen. Die Bilder leben durch ihre Farben. Durch kleine Anpassungen verleihe ich den Bildern meinen eigenen Look. Das Projekt setzt sich aus Reportagen von verschiedenen Ereignissen, Porträts der Birdwatcher und Landschaftsaufnahmen zusammen, die mit natürlichem Licht aufgenommen wurden. Als Kontrast habe ich angeblitze, bunte Vögel und Übersichten aus dem Naturkundemuseum in Bonn fotografiert. Hierfür habe ich mir ein Mini-Studio in den Hinterräumen des Museums aufgebaut, um die Vögel aus den Vitrinen abzulichten. Viele Aspekte aus dem Projekt haben sich wie einzelne Puzzleteile nach und nach zusammengefügt. Ich wollte die Menschen und ihr Hobby respektvoll darstellen und ein positives Beispiel des Arten- und Umweltschutzes zeigen.

Was war die skurrilste, die lustigste und die schönste Begegnung?

Skurril war die gesamte Reise nach Helgoland. Ich habe 4 Tage auf der Insel verbracht, die gefüllt waren mit einem bunten Programm der Organisatoren und unzähligen Streifzügen über die Insel auf der Suche nach Vögeln. Horst, Klaus und Karl-Eugen, die ich bereits auf der Fähre kennen gelernt hatte, waren sehr hilfsbereit. Sie haben mir viele Menschen aus der Szene vorgestellt und kannten Hintergrundinformationen wer deutschlandweit die Liste mit den meisten Vogelsichtungen hat. Sie haben sich immer gefreut, mir jeden Vogel zu zeigen der im Dickicht geraschelt hat. Dann hieß es: „Schnell Sofia, den musst du unbedingt fotografieren!“ Dabei haben sie erst später verstanden, dass meine ersehnten Motive nicht die Vögel, sondern sie selbst waren. Am Ende war ich dann als „die Studentin“ auf der Insel bekannt und durfte auf der Abschlussveranstaltung der Vogeltage die Gewinner des Birdrace auf der großen Bühne vor allen Gästen verkünden.

Was hast Du über Vögel und über Vogelbeobachtungen gelernt?

Ich habe gelernt, dass die Vogelbeobachtung ein Hobby ist, das viele Menschen in Ihren Bann zieht. Es baut eine Verbindung zur natürlichen Umgebung auf, denn Vögel begegnen uns überall, ob im Park, im Wald oder in der Innenstadt. Es ist ein tolles Gefühl, einen Vogel zu entdecken, den man zuvor noch nicht oder selten gesehen hat. Jeder kann es ausprobieren, auch ohne Fernglas und große Kenntnisse. Birdwatching ist eine super Nebenbeschäftigung beim Spazieren oder Wandern.

Vögel erwecken eine Sehnsucht nach Freiheit, sie lassen Grenzen verschwimmen und sind wichtige Indikatoren für den Rückgang der Artenvielfalt. In Deutschland haben wir 80% unserer Vögel innerhalb der letzten 150 Jahren verloren. Je bewusster wir den Zustand unserer Umwelt wahrnehmen, umso mehr können wir sie schützen.

Was ist Dein persönliches Fazit aus der Arbeit an der Strecke?

Mein Fazit ist, dass Birdwatching eine positive, naturnahe Freizeitgestaltung ist, die mein persönliches Leben bereichert. Ich bin wundervollen Persönlichkeiten begegnet, durch die ich viel über den respektvollen Umgang mit der Natur und anderen Menschen gelernt habe. Auch fotografisch hat die Strecke vieles angestoßen. Ich bin selbstsicherer in meiner Arbeitsweise und dem Umgang mit der Technik und Menschen geworden. Durch eine Veröffentlichung der Arbeit im GEO Magazin und die Ergänzung meines Portfolios konnte ich beruflich Fuß fassen.

Das Interview führte Edda Fahrenhorst.

Website der Fotografin: sofiabrandes.com

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