Durch ihre Fotografien lassen Heidi und Hans-Jürgen Koch die Federn selbst zu Wort kommen: sie erzählen von filigraner Schönheit, Farben, Formen und Strukturen.
Sie schützen vor mechanischen Verletzungen, sind eine Barriere gegen Sonnenstrahlen, Staub und Dreck, sie lassen den Regen abperlen und verhindern das Erfrieren im eisigen Wind. Federn dienen aber auch der Kommunikation, besonders zum Prahlen, Protzen und Flirten. Als Meisterwerke der Evolution sind sie seit jeher das Symbol für Freiheit und die Fähigkeit zu fliegen.
Mit ihrem Projekt heben Heidi und Hans-Jürgen Koch auch die wissenschaftlich-ästhetisch-poetische Bedeutung der Federn hervor. Warum die Federn für sie auch eine sakrale Bedeutung haben und was ihre zentrale Botschaft ist, erzählt das Fotografenpaar im Interview.
Fotografie Zingst: Warum Federn? Wie seid ihr auf die Idee gekommen ebenjene zu fotografieren?
Heidi und Hans-Jürgen Koch: Federn waren schon lange auf unserem Radar. Wir hatten das Thema sogar einem großen Magazin vorgeschlagen. Die Redaktion fand das Thema etwas zu „still“. Unsere Idee ist nicht bis zum neuen Chefredakteur vorgedrungen. Dann sah genau dieser Chefredakteur im New York Times Magazine eine Fotostrecke über Federn und entschied, dass das genau etwas für das Magazin wäre und kaufte und druckte diese Geschichte des japanischen Fotografen. Dumm gelaufen für uns.
Die Motivation, Federn zu fotografieren, war nicht mehr besonders groß. Wie es der Zufall wollte, kontaktierte uns der Mitarbeiter des Naturkundemuseums in Berlin, mit dem wir davor schon zusammengearbeitet hatten, und wollte uns ausgerechnet für das Thema Federn begeistern. Er und sein Kollege waren federbesessen und besaßen umfangreiche Federsammlungen. Außerdem hätten wir Zugang zur Sammlung des Museums.
Eigentlich war die Lust weg, aber da war noch Corona, was die Entscheidung leichter machte. Wir brauchten nämlich ein Thema, das wir ohne große Reisetätigkeit fotografieren konnten.
Was hat euch dabei besonders fasziniert?
Das Faszinosum Feder! Von ihr geht eine große Anziehungskraft aus. Da geht es uns nicht anders als den meisten Menschen. Die Gründe sind wahrscheinlich vielfältig. Federn zeichnen sich durch eine hohe Ästhetik aus, sind Symbol für Freiheit, natürlich für das Fliegen. Sie lösen Emotionen aus, sind eine direkte Verbindung zur Natur, mit all ihren Wundern.
Zunächst einmal war es die Optik, die stand für uns zunächst im Vordergrund. Wir wollten das fotografieren, was sie optisch ausmacht, ihre Farben, Formen Strukturen. Erst später als wir uns für die Texte unseres Buches recherchierten, wurden auch die inhaltlichen Themen spannend. Wir wollten nicht nur von dröger Wissenschaft berichten
Woher stammen die Federn?
Die Federn stammen von zwei Mitarbeitern des Naturhistorischen Museum Berlin. Die sind irgendwie federnvernarrt und besitzen zwei umfangreiche Federsammlungen.
Wir erhielten eine exklusive Kollektion unterschiedlichster Federtypen von allermöglichen Vogel-Arten aus allen Ecken der Welt. Mitgeliefert wurden auch exakte Handlungs-Anweisungen: Keine direkte Sonneneinstrahlung, aber auch keine absolute Dunkelheit, denn das würde Motten anlocken. Ein großes Insektenfressen wäre der Supergau für unser Projekt gewesen. Vorsichtig waschen durften wir die Federn schon, um sie von Staub zu befreien, aber danach unbedingt föhnen, kalt natürlich.Wie lange habt ihr an dem Projekt gearbeitet, (ist es nach der Veröffentlichung des Buches abgeschlossen)?
Allein das Fotografieren der Federn zog sich über zwei Jahre hin, von 2020 bis 2022. Wir haben rund 19.000 Bilder belichtet.
Wie lange die Qual der Nachbearbeitung gedauert hat, haben wir verdrängt. Das war echte Maloche. Dazu kommt noch die Recherche für das Buch und das Schreiben selbst.
Neue Federn zu fotografieren, dafür müsste es schon sehr überzeugende Argumente geben. Das Projekt ist aber insofern noch nicht abgeschlossen, da weitere Ausstellungen geplant sind und wir uns auch um den Printverkauf kümmern wollen. In diesem Projekt stecken sehr viel Arbeit und Zeit, so dass wir uns noch etwas einfallen lassen müssen.
Wonach habt ihr die Federn ausgewählt?
Zunächst einmal nach ihren optischen Qualitäten, den Farben, Formen, Strukturen. Wenn sie irgendwelche Besonderheiten hatten, oder selten waren, umso besser. Wir hatten ausgiebig recherchiert, und so ist eine Wunschliste entstanden, die immer länger wurde. Es gab auch ein paar must-haves, zum Beispiel die sensationell exotischen Schwanzfedern des Königsparadiesvogels. Das sind die mit den grün schimmernden Spiralen. Wir hatten zwar ausgiebig recherchiert, aber letztlich war das nur Halbwissen. Gott sei Dank hatten wir Feder-Profis zur Seite, die geeignete Exemplare aus ihrer Sammlung pflücken konnten. Auch solche, von denen wir keine Ahnung hatten.
Wo und mit welcher Technik habt ihr diese fotografiert?
Wir haben hauptsächlich in unserem Studio fotografiert, wo wir in Ruhe mit Licht, Objektiven und Perspektiven experimentieren konnten, um mit unserer Sichtweise all die Essenzen der einzelnen Federn hervorheben zu können.
Wir hatten auch die Gelegenheit, etliche Motive im Corona-Lockdown befindlichen Naturkundemuseum selbst zu fotografieren. Natürlich mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen wie Testungen und FFP2-Masken und ausgiebigem Desinfizieren. Die dort entstandenen Motive stammten von Objekten, die das Museum nicht verlassen sollten, zum Beispiel der Balg eines Kaiserpinguins. Das war schon ein exklusives Exemplar.
Unser durchgängiger visueller Ansatz war die Nähe. Bei den meisten Motiven befinden wir uns Nah-, Makro- und Mikrobereich. Für die Fotografie bedeutet dies, dass bei solchen Abbildungsmaßstäben die Schärfentiefe gering bis furchtbar klein ist. Wir wollten aber Brillanz und viele Details zeigen. Die Lösung für solche Fälle ist Fokus-Stacking. Hier werden von einem Motiv mehrere bis viele Fotos mit unterschiedlichen Fokusebenen gemacht. Dies geschieht mit einem computergesteuerten Kameraschlitten, der sich in präzisen kleinsten Schritten vorwärtsbewegt. Anschließend werden die Einzelaufnahmen mit einer speziellen Software zu einem brillanten Bild mit großer Schärfentiefe zusammengesetzt. Soweit die Theorie. In der Praxis zeigte sich, dass manche Bilder schlicht schlecht waren. Unsere Schuld. Dann war das Computerprogramm überfordert. Es gab digitale Artefakte und Unschärfen, wo keinesfalls welche sein durften. Also: Reset und wieder von vorn beginnen. Das Ritual wiederholte sich. Auch morgen würde wieder ein Federntag sein. Es sollten viele Morgen werden.
Diese Art der Fotografie funktioniert nur bei absolut bewegungslosen Motiven. Manche sehr filigrane Federn ließen sich so nicht fotografieren. Selbst in einem hermetisch geschlossenen Raum gibt es Mikroluftströmungen, ausgelöst durch unser Atmen oder die Körpertemperatur oder die Heizkörper, Bewegungen der Arme oder Hände. Die feinen Ästchen dieser Federn waren ständig in Bewegung. Für Fokus-Stacking-Fotografie war das ein Desaster.
Gleich im Studio auf schwarzem Untergrund? Wenn ja, warum?
Wir wollten es schlicht halten und die Federn selbst sprechen lassen. Farbige Hintergründe haben wir verworfen, das wäre uns zu poppig gewesen und die Hintergründe stünden in Konkurrenz zu den Federn selbst. Wir hatten zu Beginn etwas mit weißem Hintergrund experimentiert, aber da sahen uns die Federn zu blass aus. Bei Schwarz haben sie so geleuchtet, wie wir das wollten.
Ihr schreibt den Federn eine nahezu sakrale Bedeutung zu. Warum ergänzt ihr eure Fotos um diesen Aspekt?
In unserem Projekt wollten wir nicht nur von der Biologie erzählen. Dafür sind Federn, im wahrsten Sinne des Wortes, viel zu wunderbar. Der Blick in die Kulturgeschichte der Feder lehrt, dass sie immer schon etwas „Himmlisches“ symbolisierte. Das liegt natürlich an ihren Trägern, den Vögeln. Diese sind dem Himmel so nah – und damit den Schöpfern – während der Mensch am Boden klebt und sehnsüchtig, vielleicht sogar voller Neid, nach oben blickt.
Die Feder fungiert als Mittlerin zwischen den Welten, zwischen Himmel und Erde, Menschen und Göttern. Sie versinnbildlicht die Beziehung zu einer außermenschlichen Wirklichkeit. Im Mythenuniversum wimmelt es von gefiederten Protagonisten. Zu den Populärsten zählen die Engel. Ihr exklusives Kennzeichen: gefiederte Flügel. Der gefallene Engel Luzifer verlor seine himmlischen Federn. Seitdem trägt das Böse Fledermausflügel.Was ist für euch die zentrale Botschaft des Projekts?
Die Pracht der Federn zeigt uns, wie Evolution tickt. Sie ist keineswegs eine nur auf Effizienz ausgerichtete Maschinerie, welche die am besten angepassten Individuen fördert und die anderen vom Planeten tilgt. Evolution geschieht augenscheinlich anders. Sie spielt mit den Möglichkeiten, und ausprobieren kann sie alles, denn das ist ihr Wesen. Auch Schönheit und Ästhetik sind in ihrem Repertoire.
Das Interview führte Nina Hesse per E-Mail
Website der Fotografen: heidihanskoch.com/
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