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"Was kann mir schon passieren, denn ich bin schließlich über den Atlantik gesegelt" Seefahrerinnen

"Was kann mir schon passieren, denn ich bin schließlich über den Atlantik gesegelt"

Verena Brüning hat als Fotografin die erste Atlantiküberquerung einer Seefahrerinnen-Crew begleitet und erzählt davon im Interview: von ihrer wachsenden Leidenschaft für die Seefahrt und wie sie zur schiffstauglichen Fotografin wurde, wie sie sich fotografisch auf die Reise vorbereitet hat, von Herausforderungen und den glücklichen Momenten auf hoher See.

Wie bist du auf die Idee gekommen, die erste Atlantiküberquerung einer Frauen-Crew zu begleiten? Wie kam es dazu?

Verena Brüning: Ich bin bereits 2019 das erste Mal als Fotografin auf einem traditionellen Segelschiff mitgefahren, damals war es das Frachtsegelschiff „Avontuur“, das wie vor 100 Jahren Waren wie Kaffee, Kakao und Rum aus der Karibik nach Europa transportiert, um auf die Umweltverschmutzung durch die schwerölbetriebenen Containerschiffe aufmerksam zu machen. Mein Leben lang haben mich Geschichten vom Meer fasziniert, als Kind habe ich Bücher und Filme über Piraten verschlungen. Jede Bootsfahrt, wenn auch nur eine Fährüberfahrt, war etwas Besonderes für mich. Auf meine erste Schiffs-Reportage folgten weitere und bald wurde mein Netzwerk größer und ich wurde als schiffstaugliche Fotografin weiterempfohlen. Durch bereits bestehende Veröffentlichungen bekam ich auch Zugang zur Roald Amundsen. 2019 habe ich einen dreitägigen Törn auf der Ostsee begleitet, auch mit einer Frauencrew. Dort habe ich Kapitänin Conni Rothkegel kennengelernt, die erzählte, dass es ein großer Traum von ihr sei, einmal nur mit Frauen über den Atlantik zu segeln. Und da war mir direkt klar, wenn das zustande kommt, will ich dabei sein!

Was waren die größten Schwierigkeiten und Herausforderungen an Bord: einmal für die Crew und einmal für dich?

Die größte Vorarbeit hat die Crew natürlich im Vorfeld geleistet. Die Reiseplanung und insbesondere die Proviantierung sind sehr aufwendig. Klara Marquard, eine der Mitorganisatorinnen aus dem Verein »LebenLernen auf Segelschiffen e. V.«, der das Schiff bereedert, hat in ihrem Text für das Fotobuch geschrieben: „Die Vorbereitungen für unsere Reise nahmen über ein Jahr in Anspruch. Nicht nur mussten wir die Reise bewerben, auch das Bunkern der Lebensmittel für die vierwöchige Reise war äußerst aufwendig. Und nicht zuletzt fielen zahlreiche nautische und technische Vorbereitungen an. Einige von uns legten ihren Fokus auf die mentale Vorbereitung, indem sie sich mit einer professionellen Team-Simulation auf die Reise einstellten. Dabei standen die Zusammenarbeit, vor allem die Kommunikation, und das Erkennen eigener Grenzen im Vordergrund.

Während der Reise waren alle mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert. Auch persönliche Ängste spielten eine Rolle, denn einmal losgefahren, gab es keine Möglichkeit, das Schiff vor der Karibik wieder zu verlassen. Bei manchen war das rationierte Essen ein großes Thema, die ständige Bewegung des Schiffes oder der ungewohnte Tag-/Nacht Rhythmus, denn alle waren in drei verschiedenen Wachen aufgeteilt, 00:00 – 04:00 und 12:00 – 16:00 Uhr, 04:00 – 08:00 und 16:00 – 20:00 Uhr, 08:00 – 12:00 und 20:00 – 00:00 Uhr – also immer eine Tages- und eine Nachtschicht. Durchschlafen war während der gesamten Reise nicht möglich, denn das Schiff war 24 Stunden in Fahrt. Meine persönliche Herausforderung war der Schlafmangel nach der Hälfte der Reise und dass es keine Möglichkeit gab, wirklich alleine zu sein oder einen Tag Pause vom Schiffsbetrieb zu haben.

Seefahrerinnen

Was hat die Crew zusammengeschweißt?

Das Bewusstsein, dass wir hier etwas ganz Besonderes erleben und dass das Schiff nur fahren kann, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Das Gemeinschaftsgefühl war stark ausgeprägt, auch wenn 47 Menschen nicht immer einer Meinung sind. Mich hat besonders begeistert, wie unwichtig der Altersunterschied der Frauen zwischen 19 und 67 Jahren wird, wenn man eine gemeinsame Aufgabe hat und wie sehr die Frauen aufeinander geachtet und sich ermutigt haben.

Was waren die glücklichsten Momente

Die besonderen Momente wie der Besuch von Delfinen oder einem Minkwal, der uns einen ganzen Vormittag begleitet hat. Das leuchtende Plankton, das wir nachts beobachten konnten. Die Nachtwachen, bei denen wir uns mit Geschichten wachgehalten haben. Und die Sonnenauf- und -untergänge, an denen man sich auf See nicht satt sehen kann. Mein Highlight war es jedes Mal, das Schiff nachts zu steuern – ich habe mich gefühlt, als wäre ich in ein Zeitloch gefallen – vor 100 Jahren wäre es fast genauso gewesen.

Was hat dich die Erfahrung gelehrt? Gibt es Dinge, die du jetzt in einem anderen Licht siehst? Bist du gelassener geworden?

In schwierigen Situationen sage ich mir seitdem gerne – was kann mir schon passieren, denn ich bin schließlich über den Atlantik gesegelt!

Das Segeln lässt mich nicht mehr los. Ich habe nach der ersten Reise meine Sportbootführerscheine gemacht und bin gerade dabei die Prüfungen für den Sportküstenschifferschein abzulegen.

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Wie hast du dich fotografisch auf die Reise vorbereitet?

Ich war vorab ja schon einige Male auf Schiffen als Fotografin und wusste, was auf mich zukommt. Die Herausforderung ist der limitierte Raum auf einem Schiff. Immer neue und besondere Perspektiven zu finden, damit sich die Bilder nicht ähneln. Höhenangst darf ich nicht haben und es hilft mir auf der Suche nach dem besten Bild meine eigenen Ängste zu überwinden.

Das Gepäck für jedes Crewmitglied war beschränkt - für welches Equipment hast Du Dich entscheiden und warum?

Ich musste mir sehr genau überlegen, wie ich mein Equipment zusammenstelle, eine robuste, aber auch kleine Kamera, die ich jederzeit dabei hatte. Und natürlich auch eine Ersatzkamera, viele Objektive – sogar eine kleine Drohne hatte ich mit – die konnte ich aber nicht fliegen lassen, da bis auf einen einzigen Tag immer zu starker Wind wehte, um sie starten zu lassen. Mein Kameraequipment war am Ende schwerer und größer als mein Reisegepäck, aber auch mit der Kleidung, musste man für jedes Wetter gewappnet sein.

Was möchtest du mit Hilfe deiner Fotografie zum Ausdruck bringen? In der Serie und grundsätzlich?

Das Schönste während des Fotografierens ist für mich, wenn vergessen wird, dass ich da bin oder zumindest, dass ich eine Kamera auf andere richte. Wenn niemand mehr für die Kamera posiert, sondern ich Eindrücke sammeln kann. Und das macht schon beim Fotografieren riesigen Spaß.

Das schönste Kompliment, das ich zu dieser Arbeit bekommen habe, kam von einer jungen Frau, die ich zufällig nach einem Vortrag zum Buch nochmal wieder getroffen habe und die sagte, dass meine Fotos, bzw. die Geschichte unserer Reise, ihr geholfen haben, sich mehr zuzutrauen. Ich habe einige Zuschriften bekommen mit ähnlichen Geschichten. Manchmal ging es auch um’s Segeln, manchmal um ganz andere Themen. Wenn Bilder und Geschichten so etwas schaffen können, ist das doch wunderbar.

Es liegt mir besonders am Herzen, das Frauen sich mehr zutrauen und dazu auch mal ihre Grenzen überschreiten, aber auch von Männern habe ich dieses Feedback bekommen. Abenteuerlust zu wecken, Gemeinschaft zu zeigen, nahbare Vorbilder, mit denen man sich vergleichen kann – das begeistert mich.

Das Interview führte NIna Hesse per E-Mail.

Website der Fotografin: verenabruening.de/

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