Die hochinvasive Pflanze Kudzu wächst bis zu 30 cm am Tag und überwuchert weite Landstriche des amerikanischen Südens. Trotz dessen hat die Pflanze einen gewissen Kultstatus erreicht.
Bäume erinnern an Gestalten aus einer Fabelwelt, Wälder wirken wie verzaubert. Doch der schöne Schein birgt eine bittere Wahrheit: Die hochinvasive Pflanze Kudzu wächst bis zu 30 Zentimeter am Tag. Erstmalig gegen Bodenerosion in den 1870er-Jahren gepflanzt, erobert sie seither nicht nur Zäune, Eisenbahnschienen und Strommasten, sie überwuchert ganze Landstriche – und verändert damit die Landschaft des amerikanischen Südens nachhaltig.
„Unser Thema erzählt zum einen von der überbordenden Kraft der Natur, zum anderen aber auch von der zerstörerischen Wirkung invasiver Arten auf die Bio- diversität der Südstaaten. Dennoch hat Kudzu eine identitätsstiftende Wirkung für die Südstaatler. Die Pflanze ist längst auch im Alltag der Menschen angekommen und hat einen gewissen Kultstatus in der Region,“ erklären die Fotografierenden Sabine Bungert und Stefan Dolfen. Die Pflanze ist Thema von Theaterstücken, Witzen oder Comics und Kunsthandwerk, aber auch Aufläufe, Quiches, Marmeladen oder Gelees werden aus Kudzu hergestellt. Und auch in die Sprache hat es das Gewächs geschafft: Das Wort „Kudzu“ gilt nicht nur als Synonym für außer Kontrolle geratenes Wachstum, sondern es sind auch Straßen, Festivals, Musikbands und Restaurants nach der Pflanze benannt. Der Grund dafür dürfte eine faszinierende Ambivalenz sein, die sich auch in der Wirkung der Bilder wiederfindet – ebenjene reicht von beruhigend bis bedrohlich.
Passende Orte zum Fotografieren fanden die Fotografin und der Fotograf vorwiegend in den Peripherien der Städte, weil die Pflanze dort nicht beseitigt wird: „Man sieht Kudzu in der Region überall, aber nicht überall findet man einen guten Standort zum Fotografieren. Wir haben von einem sehr hohen Stativ aus fotografiert. Man muss die Orte finden, an denen man – ganz pragmatisch – das Equipment problemlos aufbauen kann und Kudzu Wälder, Häuser, Mobile Homes und Infrastruktur so lückenlos überwuchert, dass es faszinierend aussieht und sich die Szenerie durch Ausschnitt, Perspektive und Licht in ein Bild verwandeln lässt. Visuell war es uns sehr wichtig, die feinen Abstufungen des Bewuchses, alle Facetten des ‚Grüns‘, herauszuarbeiten.“