„Misstrauen und Scham waren meine einzigen Feinde.“ Interview mit der Fotografin Tamina-Florentine Zuch

„Misstrauen und Scham waren meine einzigen Feinde.“

Die Fotografin Tamina-Florentine Zuch ist während ihres Studiums zur Gärtnerin in einer Kleingartenkolonie geworden – schon nach kurzer Zeit zog sie mit ihrer Kamera durch die Nachbargärten.

Im Interview verrät sie, was beim Fotografieren besonders leicht, lustig und schwierig war und warum sie am Ende fast geweint hat vor Glück.

Fotografie Zingst: Wann, wie und warum bist Du selber zur Gärtnerin geworden?

Tamina-Florentine Zuch: Während meiner Kindheit und Jugend wuchs ich teilweise auf dem Land auf. Eine Zeitlang hatten wir einen richtigen Bauernhof; einen Gemüsegarten, eine Kuh, Hühner, Schafe, Schweine, Gänse, ein altes Pony und einen kleinen Wald. Ich habe schöne Erinnerungen an diese Zeit, ich war fast nur draußen.

Während des Studiums in Hannover merkte ich, wie sehr mich das Leben in der Stadt, in einer Wohnung, einengt. Die Luft und der Lärm, ich dachte ich würde ersticken. Nach einem halben Jahr kam mir die Idee, während ich im Zug saß und aus dem Fenster sah und Schrebergärten an mir vorbeizogen. Das könnte mir gefallen, dachte ich: Ein kleines Häuschen mit einem Garten in der Stadt. Hier könnte ich ungestört sein und würde auch selbst niemanden stören. Pflanzen und Tiere sind mir die liebsten Nachbarn.

Was ist Dir - aus gärtnerischer Sicht - bei Deinem eigenen Garten am wichtigsten?

Sonnenlicht ist wohl das Wichtigste für den Garten sowie für mich. Dann Bäume, die groß genug zum Klettern sind. Obstbäume. Alles andere lässt sich recht schnell und einfach lösen.

Wie bist Du in der Kleingartenkolonie angekommen?

Super. Gärtner lieben mich! Bisher habe ich nur gute Erfahrungen mit Kleingartenvereins-Mitgliedern gemacht. Von mir fotografiert zu werden ist natürlich ein ganz anderes Thema. Ich habe oft viel Zeit mit den Gärtnern verbracht, bevor ich die ersten Bilder gemacht habe. Misstrauen und Scham waren meine einzigen Feinde.

Wie hast Du einen fotografischen Zugang zu Deinen Nachbarn bekommen?

Dazu habe ich eine ganz schöne Anekdote.

Es war ein milder Sommerabend im August als ich plötzlich im Nachbargarten Jubelrufe hörte. Ich hatte schon einige Male dort fotografiert und kannte die Besitzer mittlerweile ganz gut. Ich schnappte meine Kamera und lief hinüber und konnte kaum glauben was ich dort sah: Fünf Damen splitterfasernackt plantschend im Pool nach Sonnenuntergang. Was für ein herrlicher Anblick! Wer könnte sich nicht darüber freuen. Die Damen begrüßten mich lachend und winkten mich zu ihnen, machten aber schnell klar, dass die Kamera ausbleiben müsste. Das versetzte meinem Fotografen-Ich natürlich einen Stich, gleichzeitig versüßte es mir die Situation, weil sie nur uns gehörte. Ich legte meine Kamera auf den Rasen, warf meine Kleider ab und sprang zu den anderen in den Pool. Eines führte zum anderen und am Ende erlaubten sie mir zwei Bilder, beim zweiten stiegen sie schon aus dem Pool. Ich wusste, in dem Moment, wie wichtig dieses Bild für meine Serie sein würde. Als der Sommer vorbei war und die Bildauswahl konkreter wurde, konnte ich mir das Projekt ohne dieses Bild nicht mehr vorstellen. Also rief ich die Damen zusammen, wir verabredeten uns im Vereinshaus, ich zeigte ihnen das Bild und versuchte ihnen so gut es ging zu vermitteln warum das Bild so wichtig ist. Scham war hier natürlich das größte Hindernis. Am Ende haben mir alle Damen ihr Einverständnis gegeben. Das hat mich wirklich berührt, ich hab fast geweint vor Glück.

Was war beim Fotografieren leicht? Was war schwierig? Was war lustig?

Leicht waren Situationen in denen mehrere Leute zusammen waren, beim Vereins-Sommerfest zum Beispiel. Da konnte ich ungestört arbeiten. Schwieriger wurde es, über den Punkt »sich am Gartentor unterhalten« hinauszukommen und tatsächlich in die Gärten eingeladen zu werden. Ich wollte schließlich die Aktivitäten der Menschen in ihren eigenen Gärten dokumentieren. Viele fühlten sich anfangs verpflichtet mir Gesellschaft zu leisten, etwas zu trinken anzubieten und sich mit mir zu unterhalten. Das war wohl das schwierigste; die Menschen dazu zu bringen so zu tun als sei ich gar nicht da.

Was war lustig? Ist eine schwierige Frage denn obwohl viele Situationen, die ich fotografiert habe vielleicht ulkig erscheinen, war es mir doch wichtig, die Menschen nicht lächerlich darzustellen. Ich möchte die Betrachter zum Schmunzeln bringen aber nicht, indem sie sich über die Gärtner lustig machen.

Hat sich Dein Blick auf das Gärtnern und auf Deine Nachbarn im Laufe des Projektes verändert?

Der Blick auf Schrebergärtner im Allgemeinen hat sich auf jeden Fall positiv geformt. Bevor ich meinen eigenen Garten in Hannover hatte, kannte ich keinen einzigen Schrebergärtner. Ich dachte sogar, sie würden »STrebergärtner« heißen. Natürlich kannte ich das allgemeine Gerücht Schrebergärtner seien alle Spießer. Die Gärtner, die ich kennenlernte waren alle unterschiedlichen Alters, unterschiedlicher Herkunft, aus fast allen Gesellschaftsschichten, die alle aus verschiedenen Gründen ihren Garten lieben.

Wie paradiesisch ist das Urban Paradise?

So paradiesisch wie man es sich selbst gestaltet. So unterschiedlich unsere Vorstellungen vom Paradies sind, so unterschiedlich sehen auch die Gärten aus.

Das Interview führte Edda Fahrenhorst.

Website der Fotografin:www.tamina-florentine.com

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