„Es gibt keine Möglichkeit zur Postproduction“ Interview mit Christian Klant

„Es gibt keine Möglichkeit zur Postproduction“

Im Interview gibt Christian Klant einen persönlichen Einblick in seine Arbeitsweise mit dem Kollodium-Nassplatten-Verfahren.

Der Fotograf Christian Klant spricht über Vorteile und Nachteile und die Herausforderungen dieser Technik, die aus einer anderen (digitalen) Perspektive betratet, veraltet erscheint.

Er verrät auch, was er an der Naturfotografie besonders genießt und warum er vor der Arbeit mit dem Kollodium-Nassplatten-Verfahren nicht in der Lage war, eine Landschaftsfotografie zu erstellen, die ihm gefallen hat.

Fotografie Zingst: Christian, was ist das Kollodium-Nassplatten-Verfahren?

Christian Klant: Das nasse Kollodium-Verfahren wurde als eines der ersten fotografischen Verfahren überhaupt im Jahr 1851 erstmals vorgestellt. Damals war es eine revolutionäre Neuerung, denn es verband alle Vorteile der bisherigen Techniken: Hohe Detailgenauigkeit, Schärfe, die Möglichkeit Negative zu erstellen und eine relativ hohe Lichtempfindlichkeit.

Manche dieser Aspekte mögen heute aus einer anderen (digitalen) Perspektive betratet veraltet erscheinen. Die bildlichen Details, die man mit diesem historischen Verfahren nur mit der Hilfe von einigen Chemikalien und Licht einfangen kann, ist allerdings noch immer beeindruckend. Einen vermeintlichen Nachteil brachten die Nassplatten (oder auch englisch Wet Plates) jedoch mit sich. Da die Platten von dem Zeitpunkt an dem sie mit Kollodium beschichtet werden bis nach dem Fixieren nass bleiben müssen, muss man sich Bild für Bild seinen „Film“ aufs Neue erstellen. Das bedeutet auch, dass es einer Dunkelkammer in Reichweite bedarf. Für Landschaftsaufnahmen nutze ich dann ein Dunkelkammerzelt. Wie häufig ist ein Nachteil bisweilen gleichzeitig auch ein Vorteil. Man kann das Ergebnis noch vor Ort beurteilen und eventuelle Korrekturen an Belichtung oder Bildaufbau vornehmen.

Was ist die fotografische Herausforderung daran?

Oberflächlich betrachtet liegt die Herausforderung darin, dass es nahezu keine Möglichkeiten zur „Postproduction“ gibt. Das Bild formt sich im Augenblick der Belichtung und wird kurz darauf durch die Entwicklung erweckt. Viel Konzentration und Erfahrung sind nötig, um eine gute Nassplatte zu fotografieren. Verglichen mit den heutigen technischen Möglichkeiten ist die Lichtempfindlichkeit des Verfahrens mit ISO 0,5 getrost als unterirdisch zu bezeichnen. Während das für Landschaftsaufnahmen häufig nicht relevant ist, wird das gerade bei Portraits oder sich bewegenden Motiven bedeutsam. Alles in Allem ein Prozess, der zur Entschleunigung einlädt, um nicht zu sagen zwingt.

Landschaftsfotografie mit Teich im Herbstwald

Was an dem Sujet der Landschaft- bzw. Naturfotografie reizt Dich persönlich am meisten und warum?

Bevor ich angefangen habe mit dem Kollodium-Nassplatten-Verfahren zu arbeiten, war ich nicht in der Lage eine Landschaftsfotografie zu erstellen, die mir selbst gefallen hat. Es war mir schlicht nicht möglich, die Emotionen, die ich selbst an einem Ort empfand fotografisch umzusetzen. Die Arbeit mit Großformatkameras und Nassplatten zwingt mich dazu alles viel langsamer zu erleben. Diese Entschleunigung hat mir dabei geholfen, die Emotionen zu greifen, die mir zuvor noch durch die Finger geglitten sind. An der Naturfotografie genieße ich sehr, dass ich an Orte gehe, die mich berühren. Ich tauche durch die Fotografie noch tiefer ein und wenn es ein guter Tag ist, entsteht eine Fotografie die das widerspiegelt, was ich selbst vor Ort wahrgenommen habe.

Das Buch zu der Serie „Places of Resonance“ ist jüngst erschienen – wie kam es dazu?

Ich erinnere mich noch an den Morgen an dem ich mich mit meinem Co-Autor Michael Gleich am Berliner Weißensee getroffen habe. Von Seelenorten im Sauerland erzählte er mir. In einem partizipativen Prozess hatten Touristiker:innen, Naturschützer, Heimatpfleger:innen, Kirchenleute und spirituell Interessierte nach Orten gesucht, die berühren, inspirieren, zum Innehalten einladen. Michael hatte zu jedem dieser 42 Orte einen Text geschrieben, der ihre Qualitäten und auch deren Geschichte aufgreift. „Christian, das sind außergewöhnliche Orte und ich möchte, dass daraus ein Buch entsteht. Deine so außergewöhnliche Fotografie passt einfach wunderbar dazu.“

Mit Clemens Theobert Schädler aus Wien gab es sogar schon einen international renommierten Gestalter im Team. Das war im Juni 2019. Schon im August haben wir gemeinsam eine erste Reise zu den Seelenorten unternommen. Ich wollte selbst vor Ort erfahren, ob ich mir vorstellen könne, dieses umfangreiche Projekt fotografisch umzusetzen. Die Resonanz war hoch. In mir selbst und auch auf die ersten Bilder, die auf dieser Reise entstanden. Eh ich mich versah, war ich schon mitten drin. Ein WDR Team wollte mich schon kurz darauf bei einem Shooting begleiten. Fünf weitere, teils über eine Woche dauernde Reisen sollten folgen, bis im September 2021 das letzte Bild belichtet war. Ein Jahr später, nach einem langen und intensiven Prozess war das Buch im Sommer 2022 fertig. Dieses Buch, welches in Teamarbeit entstand, nun in den Händen halten zu können macht mich stolz.

Was ist daraus Deine liebste Geschichte, Dein liebstes Bild?

Es würde mir schwer fallen das eine Lieblingsbild auszuwählen. An manchen Orten habe ich nur eine einzige Aufnahme gemacht. An anderen eine Serie von 3-4 Bildern. Es ging mir immer um ein emotionales Portrait des jeweiligen Ortes. Letztlich ist es das Kollektiv aller Aufnahmen im Buch, die das Projekt ausmacht.

Eine Geschichte hat mich sehr berührt. Wie so oft bin ich in aller Frühe schon gegen 5 Uhr morgens am ersten Ort des Tages angekommen. Ich schätze die Ruhe in diesen Stunden des Tages sehr. Es war eine kleine Kapelle mitten im Wald. Ohne die GPS Koordinaten hätte ich sie wohl selbst nicht gefunden. Bei meiner Ankunft war die Türe geöffnet und einige Kerzen brannten. Es war also schon jemand vor mir hier gewesen. Lange habe ich überlegt, wie ich diese auf den ersten Blick unscheinbare Kapelle fotografieren möchte. Nach einer Weile des Lauschens und Spürens bekam ich eine Idee und begann zu fotografieren. Als ich rund zwei Stunden später fertig war und nur darauf wartete bis die Platten trocken genug waren um sie in einer Transportkiste zu verstauen, kam ein Auto durch den Wald herangefahren. Ein älterer Herr stieg aus und fragte, was ich hier mache. Ich zeigte ihm mein Bild und erzählte von dem Buchprojekt. Mit Tränen in den Augen versicherte er mir, dass er zwar kein Experte für Fotografie sei, dieses Bild der Kapelle, die er jeden Tag aufsuche, ihn aber tief berühren würde. Dies war ein Moment der Resonanz, der über jede Konfession hinaus geht.

Arbeitest Du eigentlich auch mit anderen Systemen und Techniken?

Das Nassplatten-Verfahren ist mein Hauptprozess. Ergänzt wird dieser durch diverse historische Printverfahren wie Salz- und Albumindruck, Cyanotypie, Carbon-Druck und Platin/Palladium Prints. Seit Kurzem habe ich eine vielversprechende Affäre mit einer Pentax 67. Wir lernen uns noch kennen, aber ich spüre einen neuen Zweig entstehen: Mittelformat-Negative und Lith-Prints. Ich bin selbst neugierig wohin sich das entwickeln wird.

Und last but not least: Welches Thema hast Du Dir als nächstes vorgenommen?

In den letzten Monaten habe ich viel über die Erweiterung meiner Serie „Portraits of Nature“ nachgedacht. Zwei neue Kapitel möchte ich auf großen 40x50cm Wet Plates fotografieren. Inhaltlich wird es weiter um unseren Umgang und unsere Sicht auf die Natur gehen. Visuell werde ich mehr mit dem Mittel der Abstraktion arbeiten. Mehr möchte ich aber noch nicht verraten.

Die Ausstellung „Landschaften" von Christian Klant ist seit dem 16.09.2022 im Max Hünten Haus Zingst zu sehen. Zur Vernissage am 30.09. wird der Fotograf anwesend sein.

Das Interview führte Edda Fahrenhorst.

Website des Fotografen: https://christian-klant.com/

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